2024-25

singing

opera

Prof. Dr. Klaus Jürgen Pawöhner

Prof. Dr. Heiner Waniek

Tänzer|Dolmetscher

Bühne

Milena Pacek

Inszenierung

Dr. Harry Lehmann

Showgäste

Dieter Bohlen

Moderator

Tristan

Isolde

Musikalische Leitung

Kostüme

Dr. Susanne Dieterich

Dramaturgie

Text

Feeds. Hören TV (UA)...

Kleines Haus

Feeds. Hören TV (UA)

2010-11

Der Komponist mit der Kettensäge

"Da wollte ein Opernhaus mal etwas riskieren. Mit großzügiger Unterstützung aus dem Fonds „Experimentelles Musiktheater“ des NRW-Kultursekretariats flog es ein Berliner Team mit dem 30-jährigen Komponisten Johannes Kreidler für eine reichlich durchgeknallte Uraufführung ein. Kreidler versteht sich als Recycling-Künstler, dem es frei nach Marx darauf ankommt, die Musik zu verändern, statt sie immer nur neu zu interpretieren. „Feeds.Hören TV“ heißt sein gängigen Show-Formaten des Fernsehens angepasster medien- und musikkritisch gemünzter Abend. Die Bühne (Justyna Jaszczuk) im Kleinen Haus ist bewusst so geschmacklos drapiert wie in TV-Shows. Über billigen Wiederaufguss längst geschlagener Schlachten bis hin zur Verweigerungshaltung eines John Cage kommt Kreidler jedoch nicht hinaus. Wenn er zum Kettensägen-Massaker an Zimmerpflanzen ansetzt, driftet die Provokation vollends ins Lächerliche ab. Und zu allem Überfluss meint Kreidler, mit schwäbelndem Akzent und gen Null tendierender Bühnenausstrahlung als Showmaster durch den zweistündigen Abend führen zu müssen. „Ich bin kein Schauspieler sondern Hörarbeiter“, kündigt er sich an. Wie wahr. Und wie aus TV-Shows gewohnt, packt Kreidler viel an Themen hinein, ohne irgendetwas zu vertiefen. Das Beste kommt zum Schluss: Unzählige nur für Sekunden angerissene Metal-Varianten mit dem Tänzer Manuel Romen. Wenigstens das hat Witz. Das lässt sich von der verunglückten rotzigen Dieter-Bohlen-Nummer ebenso wenig sagen wie vom salbadernden Auftritt der fiktiven musikpsychologischen Merkel-Beraterin, dem schwülstigen Plausch mit Porno-Regisseurin Milena, der Karaoke-Nummer mit Elise Kaufman als Isolde, der Wagner-Verhunzung mit William Saetre als Tristan Superstar oder dem Wortgefecht mit dem fiktiven Fraunhofer-Forscher Prof. Dr. Heiner Waniek, der im Zeitalter synthetischer Musikproduktion die Frage aufwirft, „ob man euch Komponisten dann überhaupt noch braucht“. Nicht mal der Livestream zur Internet-Übertragung der Kölner Kunsthochschule für Medien klappte perfekt. Ein überflüssiger Abend, dessen Provokation nicht zünden will."

Recklinghäuser Zeitung

Bohlen meuchelt Tristan

Unsere Hörgewohnheiten, Neue Musik und experimentelles Musiktheater zur Diskussion zu stellen, gewitzt zu unterwandern und dabei auch bewusst ad absurdum zu führen – kein schlechter Ansatz für ein frisches, freches Bühnenwerk. All das will „Feeds. Hören TV“ von Johannes Kreidler sein, das am Samstag im Kleinen Haus des Musiktheaters uraufgeführt wurde. Letztlich ist es aber doch nur ein krudes Showspektakel mit vielen verschenkten Chancen. „Hören ist Arbeit!“, propagiert Kreidler zu Beginn, in einem Essay zu „Feeds“ versteigt er sich gar dazu, diese Produktion als „Umerziehungslager“ zu bezeichnen. Erzogen werden soll das Publikum: Zu neuen Hörweisen, mittels einer fünfteiligen Bühnentalkshow zu den Themen „Abhören“, „Klang und das Unbewusste“, „Liebe, Sex und Technik“, „Musikentwertung“ und „Neues Musiktheater“. Was der Zuschauer vorgesetzt bekommt, ist ein wirrer Mix aus inszeniertem Talk, Soundcollagen, mauen Avantgarde-Klängen, Dokumentartheater und Kabarett. Durch all das irrlichtert Johannes Kreidler wie eine Mischung aus Oliver Pocher und Ranga Yogeshwar und fordert das „Regietheater in der Musik!“ Es gibt zahlreiche gute Ansätze und Ideen in dieser Aufführung, aus denen man viel hätte machen können: Reden der Bundeskanzlerin werden klanglich analysiert und die Basslinien oder die Durchschnittshöhe in Musik umgesetzt, Zitate aus Wagners „Tristan und Isolde“ werden mit Klang-Fragmenten aus verschiedensten Quellen „re-komponiert“, Verkaufsstatistiken der Plattenindustrie werden zu Melodieverläufen, die Monatsgehälter eines Inders (45 Euro) und von Josef Ackermann (1,1 Mio Euro) werden musikalisch in Relation gesetzt. Immer wieder aber werden diese Ideen durch überzogenes Show-Gaga ihrer Wirkung beraubt oder ins Unerträgliche ausgewalzt. So darf Dieter Bohlen hier den armen Tristan zig-mal zu verschiedenen PC-Spiel-Sounds abschlachten – danke, wir hatten es auch beim ersten Mal verstanden. Stück (Konzept und Komposition: Johannes Kreidler, Text: Leowee Polyester) und Inszenierung (Kreidler, Ulla Theissen) wollen zuviel, Bühne (Justyna Jaszczuk) und Kostüme (Jörg Bäcker) unterstreichen den Spektakel-Charakter, die sieben Musiker unter Leitung von Askan Geisler verkommen zur Staffage, Elise Kaufman (Isolde) und William Saetre (Tristan) müssen als Witzfiguren auftreten. Am Ende, beim Thema „Neues Musiktheater“, hätte Johannes Kreidler die perfekte Chance gehabt, auch seinen eigenen Ansatz auf den Prüfstand zu stellen und eine gewisse sympathische Selbstironie zu zeigen. Diese Gelegenheit nutzt er jedoch nicht – dazu scheint der Komponist sich und sein Werk letztlich dann doch viel zu ernst zu nehmen. 

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Regional)

Kritik am Medienzeitalter

Vor fünf Jahren richteten das Kultursekretariat und die Kunststiftung NRW einen Fond ein, um neue Formen experimentellen Musiktheaters zu ermöglichen und da-für Aufträge zu vergeben. Ein solches Auftragswerk kam nun im Kleinen Haus des Musiktheaters zur Uraufführung: sein Autor ist der junge Berliner Komponist Johannes Kreidler (* 1980) und sein Produkt, zu dem ihm Freundin Leowee Polyester den Text verfasste, heißt: „Feeds. Hören TV – ein Musiktheater der Medien“. Feeds – was ist das? Kreidler sagt: ‚Wir füttern das Publikum mit Informationen über das Hören – und zwar in Form einer Talkshow im Fernsehen‘. Die Bühne ist als Studio eingerichtet, so wie jedermann das aus Talk- oder Wissensshows kennt. Kreidler selbst ist der Moderator, der Studiogäste in quasi fünf Sendezeiten (Akten) auf die Bühne holt und mit ihnen über Phänomene des Hörens diskutiert; am Rand sitzen sieben Musiker plus Dirigent, die den Talk kommentieren, untermalen oder aber konterkarieren – und ein Kamerateam der Hochschule für Medien umwandert das Studio, um die Szenen für eine Internet-Produktion aufzunehmen. Und was soll das? Kreidler sagt: ‚Ich lese jeden Vormittag das halbe Internet durch‘ - das ist wohl der wesentliche Teil seiner Recherche. Daraus „komponiert“ er dann sein ‚Musiktheater der Medien‘; er sampelt es – und das, so meint er, ist die neue Form des Komponierens im Medienzeitalter. Das mag auch die Arbeit eines Kabarettisten sein, der seine Umwelt karikiert - und in der Tat hat Kreidlers Musiktheater der Medien den Hang zum Kabarett; es versucht nämlich, diese Mediengesellschaft, die er für bescheuert hält, zu entlarven. Alles, was er szenisch, textlich und musikalisch unternimmt, stellt diese Scheinwelt, in der wir orientierungslos leben, auf den Kopf – und die Aussage seines Stückes ist wohl: dieses digitale Zeitalter, das uns umgibt, ist so, wie es heute ist, absurd, sinnentleert, perspektivenlos; alles ist aus zweiter Hand, auch das Komponieren, und die Postmoderne, die noch auf Sinnsuche war, ist tot und vorbei. Und so ist auch Kreidlers Musik gestückelt, bewusst verzerrt, auf Provokation und nicht auf Zusammenhänge aus, aber von den Musikern des Hauses wahrscheinlich ungern, aber genau und grotesk auf den Punkt gebracht. Auch diese Musik war schon einmal da, am Ende der sechziger Jahre nämlich; da nannte man sie ‚Kaputtspielmusik‘, weil sie die ‚Moderne‘ gründlich zerstörte; da hatte das Medienzeitalter noch nicht begonnen. Wiederholt sich nun, nach vierzig Jahren und unter globalen Bedingungen, eine solche Kunstaktion? Das könnte die eigentliche, die hintergründige Bot-schaft der Aufführung sein. Trivial auf den Punkt gebracht: nichts ist scheißer als zweiter, wie man auf Schalke sagt. Und noch trivialer: Kreidler – der Oliver Pocher der Nachpostmoderne? Das Publikum schien nicht schockiert, eher erheitert, und der Beifall war beachtlich. 

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