2024-25

singing

musical

Take 1

Take 2

Take 3

Rabbi

Schandel, seine Mutter

Fedja, ein junger Mann

Mottel Kamzoil, ein Schneider

Shprintze

Zeitel

Motschach, ein Gastwirt

Jente, eine Heiratsvermittlerin

Dramaturgie

Mendel, sein Sohn

Bielke

Lazar Wolfs Haushälterin

Solo-Violine

Wachtmeister

Russischer Vorsänger

Nachum, ein Bettler

Tevje, ein Milchmann

Jussel, ein Hutmacher

Sasha, sein Freund

Bühne

Chava

Awram, ein Buchhändler

Golde, seine Frau

Nachdirigat

Hodel

Musikalische Leitung

Oma Zeitel, Goldes Großmutter

Fruma-Sara, Lazar Wolfs erste Frau

Perchik, ein Student

Chor

Inszenierung

Choreografie

Lazar Wolf, ein Metzger

Kostüme

Anatevka

Großes Haus

2010-11

Der Vorhang hebt sich über den brennenden Ruinen des Dorfes Anatevka. Seine Bewohner stehen verloren in den Überresten ihres Lebens; der Fiedler auf dem Dach, Metapher für den Tanz auf dem Vulkan, der jüdisches Leben so oft prägte, spielt leise eine fast trotzig wirkende Melodie. Ein starkes Eröffnungsbild, das Regisseur Peter Hailer für seine Inszenierung des 1964 uraufgeführten Musicals von Jerry Bock (Musik), Sheldon Harnick (Texte) und Joseph Stein (Buch) gewählt hat. Der Regisseur, der in den vergangenen Spielzeiten mit „La Cage Aux Folles“ und „My Fair Lady“ nicht überzeugen konnte, beweist diesmal ein kluges Gespür für die Balance zwischen Tragödie und komischen Momenten. In der gut dreistündigen, nie langatmigen Aufführung hält er geschickt den Spannungsbogen aufrecht, indem er einen ausgewogenen Erzählfluss findet und den Fokus ganz auf die sorgfältig gezeichneten Charaktere legt. (...) Als Tevje glänzt einer der beliebtesten Sänger des Hauses: Joachim Gabriel Maass kann sich nicht nur auf seine profunde Stimme verlassen, er liefert vor allem schauspielerisch eine fulminante Leistung ab, gibt den schlitzohrigen Milchmann mit dem übergroßen Herzen bis ins kleinste Detail überzeugend. Ob im Dialog mit Gott oder im Zusammenspiel mit seiner Frau Golde und den geliebten Töchtern – Maass gelingt bravourös der Spagat zwischen punktgenauer Komik und bewegendem Tiefgang. Allein seine Darbietung lohnt den Besuch der Aufführung.
Dabei ist die Rolle der Golde mit Lena Stolze (bekannt u.a. aus Michael Verhoevens „Die weiße Rose“) ebenso prominent wie gut besetzt – auch sie liefert ein einfühlsames Rollenportrait, ebenso die Töchter Judith Jakob (Zeitel), Filipina Henoch (Hodel) und Jana Stelley (Chava). Rollendeckend agieren Christa Platzer (Jente), E. Mark Murphy (Mottel), Navid Akhavan (Perchik) und die übrigen Solisten des großen Ensembles. (...) Mit „Anatevka“ ist dem MiR ein großer Wurf gelungen – es meldet sich hiermit nach zwei weniger geglückten Inszenierungen eindrucksvoll in der deutschen Musicallandschaft zurück.


Musicals - Das Musicalmagazin

Mit praller Komik und viel Gefühl

Mit Liebe zum Detail malt er die kleine Welt einer entlegenen Provinz aus, in der sich Menschen aus Furcht vor Veränderung an sinnentleerte Traditionen klammern. Daraus wird am MiR ein kurzweiliges Lehrstück für die Gegenwart. Der brave Tevje zeigt sich lebensklug genug, wenn er ein ums andere Mal nachgibt und der Welt ihren Lauf lässt. Eine Paraderolle für den Bassisten Joachim Gabriel Maaß, der sich als Charakterdarsteller auf die subtilen Seiten praller Komik versteht. Köstlich, wie harsch der strenggläubige Milchmann Zwiesprache mit seinem Gott hält und wie er mit einer Kette wägender Argumente („andererseits, andererseits…“) den beiden ältesten seiner fünf Töchter nachgibt. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, sich entgegen der ehernen Tradition nicht durch die aufdringliche Heiratsvermittlerin Jente (Christa Platzer) verkuppeln zu lassen, sondern den Mann ihrer Wahl selbst auszuwählen. Judith Jakob als gewitzte Zeitel, die sich in den armen Schneider Mottel (E. Mark Murphy) verknallt hat, und Filipina Henoch als Hodel mit ausgeprägter Neigung zum revolutionären Schwärmer Perchik (Navid Akhavan) bestimmen das Spiel. Nur mit der zarten Chava (Jana Stelley) bricht der störrische Alte, als sie sich mit dem Russen Fedja (Andreas Schneider) einlässt. Im Kampf mit der brüchigen Tradition laufen die drei jungen Paare zur Hochform auf. Ihnen widmet Hailer mindestens so viel Aufmerksamkeit wie dem nicht einen Augenblick lang in die Karikatur abdriftenden Tevje. (...) Vor allem in den rasanten Tänzen fesselt die gefeierte Gelsenkirchener Aufführung. Choreografin Kati Farkas beweist mit dem Ballett Schindowski pfeffriges Temperament. Hier überzeugt Bernhard Stengel mit der Neuen Philharmonie Westfalen auch musikalisch – im Gegensatz zum triefenden Broadway-Breitwand-Sound, dessen Banalität man nicht allein dem Dirigenten ankreiden darf. Etienne Pluss arbeitet in seinem Bühnenbild mit mobilen Hütten-Elementen und Rahmen an der Rampe und als Stimmungsbild im Hintergrund. Uta Meenens Kostüme verweisen auf die Fünfziger und die Provinzialität des Schtetls. Brutal mischt der russische Schläger-Mopp die jiddische Hochzeit auf. Und der Exodus der ausgegrenzten Juden bietet alles andere als ein Happy End. 

Recklinghäuser Zeitung

Triumph der kleinen Gesten

Es sind die kleinen Gesten, die dazu beitragen, aus Peter Hailers „Anatevka“-Inszenierung einen großen Abend zu machen. Es gibt feinste Schauspielkunst. Und sie hat einen Namen: Joachim G. Maaß. Doch nicht nur der Bassist besteht gegen die beiden hochkarätigen Schauspieler-Gäste, gegen die wunderbare Lena Stolze als Tevje-Gattin Golde und Navid Akhavan (Studenten-Revolutionär Perchik): Junge Sängerinnen im Ensemble wie Judith Jakob (Zeitel), Filipina Henoch (Hodel) oder Jana Stelley (Chava) spielen und tanzen auf einem Niveau, wie man es vor Jahren von einem „klassischen“ Opernsänger nicht unbedingt erwarten durfte. Ein Zeichen auch dafür, wie sehr sich die Ausbildung an Hochschulen und Akademien geändert hat. Anatevka, das Schtetl im zaristischen Russland des frühen 20. Jahrhunderts, ist auf der Bühne des großen Hauses eine hochatmosphärische Ansammlung mobiler, stilisierter Bauern- und Handwerkerkaten, die in ihren stürzenden Linien, ihren verzerrten Perspektiven geradewegs einem Bild vom Chagall entsprungen zu sein scheinen (Bild: Etienne Pluss). (...) Seine unbestrittenen Höhepunkte erreicht der Abend, wenn Sänger-Darsteller, Statisterie, Chor und Tänzer sich, etwa beim Hochzeitstanz in der Kneipe, zu grandios entwickelten Massentableaus zu­sam­menfinden. Die Choreographien, die Kati Farkas für das Ensemble Schindowski er­arbeitet hat, sind überwältigend, bravourös ist auch der von Christian Jeub geleitete Chor. Am Pult der Neuen Philharmonie steht Bernhard Sten­gel, der das Orchester souverän durch Jerry Bocks Mi­schung aus Klezmer und Broadway-Sound führt, dem man nur gelegentlich etwas mehr Mut zu größerer Dynamik gewünscht hätte.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Kultur)

Das trifft Mitten ins Herz!

„Anatevka“ – das ist sicher einer der erfolgreichsten Premieren, die das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen in der bisherigen Ära von Intendant Michael Schulz feiern kann. Regisseur Peter Hailer hat es verstanden, das unterhaltsame und dabei zu Herzen gehende Musical mit einem bewährtem Regieteam und mit fast hundert begeistert spielenden Akteuren höchst temperamentvoll und lebensnah in Szene zu setzen. Dabei hat er in Joachim G. Maas, der seit 1988 Ensemblemitglied des Musiktheaters ist und hier die Titelfigur, den Milchmann Tevje spielt, einen Charakterdarsteller gefunden, dem es gelingt, selbst die großen Vorbilder von Broadway und Film vergessen zu machen: Maas singt und spielt die Rolle seines Lebens, so menschlich, so hintersinnig klug, dass sich die Reise lohnt, allein ihn zu erleben. (...) Wie der zwar nicht gebildete, aber menschenkluge Milchmann Tevje seine Vorurteile überwindet, das spiegelt in humoriger Weise ein Stück Zeitgeschichte, das auch heute noch nicht vergangen scheint: wir amüsieren uns zwar köstlich, erkennen aber im Spiegel die eigenen gesellschaftlichen Vorurteile. Umso dramaturgisch richtiger wirkt der untypische Musicalschluss, der kein Happy End, sondern ein Problem offenbart, das uns heute noch genauso angeht. Erst im Nachhinein begreift man, warum ein schwarzer, durchsichtiger Schleier alle Szenen eröffnet und wieder beschließt. Das Beste an Hailers vielschichtiger Inszenierung ist jedoch, dass sie uns herzlich lachen lässt und dann doch, aber ohne Zeigefinger, uns selbst ins Herz trifft. 

Ruhr-Nachrichten

Anatevka geht in Blut und Herz

(...) Da klingen durch die Kleidung und das Auftreten der „Russen“ im vorrevolutionären Zarenreich schon einmal Anspielungen an die deutsche Geschichte durch, die aber nur Parallelen vorführen, ohne das Stück zu sehr in die Realität zu holen.
Seine Verpflichtung von Schauspielern Lena Stolze als Golde erwies sich als ebenso glücklich wie die von Navid Akhavan als revolutionärem Studenten Perchik. Beide Schauspieler bereicherten die Inszenierung durch ihr Spiel an der Seite ihrer Sanges-Partner.
Um die drei großen Töchter, gespielt von Judith Jakob (Zeitel), Filipina Henoch (Hodel) und Dorin Rahardja (Chava), wurde Tevje sicherlich von so manchem im Publikum beneidet. Denn die drei spielten und sangen sich schnell in die Herzen des Publikums.
Der musikalische Leiter Bernhard Stengel führte die Neue Philharmonie Westfalen sicher durch die spritzige Komposition und Choreographin Kati Farkas trieb das Ballett Schindowski zu Höchstleistungen an.
Mit der Bühnengestaltung gelang Etienne Pluss mit wenigen Mitteln ein echter Hingucker.
Ein alles in allem unterhaltsamer, anregender und beeindruckender Premierenabend, an dem das MiR wieder einmal bewiesen hat, dass es zu den besten Musicalhäusern zählt.


Stadtspiegel Gelsenkirchen

Anatevka!

Nicht nur Marc Chagalls „Geiger“ (Takashi Bernhöft) ist ständig präsent auf der Gelsenkirchener Bühne, deren Ausstattung immer wieder auf den jüdischen Künstler Bezug nimmt. „Anatevka“ hat seinen seit seiner New Yorker Uraufführung 1964 bis heute ungebrochenen Siegeszug durch die zivilisierte Welt auch am Musiktheater im Revier fortgesetzt. Dass es am Freitagabend nach gut drei Stunden nicht ganz zu völlig verdienten stehenden Ovationen gereicht hat, ist vor allem der Vorlage von Jerry Bock und Joseph Stein geschuldet. (...)

Und wenn wie in diesem großartigen Zusammenwirken von Regisseur Peter Hailer, Choreographin Kati Farkas, den Ausstattern Etienne Pluss (Bühne) und Uta Meenen (Kostüme) sowie dem musikalischen Leiter Bernhard Stengel sich am Ende die Bewohner Anatevkas, des kleinen Dorfes irgendwo im großen russischen Zarenreich, zu einem Treck formen, um in alle Welt auszuwandern, dann konnotieren wir Deutsche ganz andere Bilder. 
(...) Joachim G. Maaß ist nun in Gelsenkirchen ein ganz der jüdischen Tradition verhafteter Patriarch, der zugleich aber ein liebe- wie verständnisvoller Familienvater von gleich fünf Töchtern sein will, die es unter die Haube zu bekommen gilt. Ein Spagat, dem sich der proletarisch-bodenständige Milchmann und zugleich herrlich selbstironische Erzähler geradezu auf dialektische Weise an der Rampe, dem in mehrfacher Hinsicht schmalen Grat zwischen Orchestergraben und Parkett, aussetzt.
Es ist eine sehr moderne (Familien-) Geschichte, die hier erzählt, gespielt, getanzt und gesungen wird von einem um prominente Gäste (Lena Stolze, Judith Jakob, Filipina Henoch, Navid Akhavan) und dem Ballett Schindowski verstärkten Ensemble, das sich zu einem so wehmütig-berührenden wie überbordend-lebensfrohen und so auch beglückend-heiteren Gesamtkunstwerk zusammenfügt.
Da können heutige Musicals, auf die Birgit Brusselmans in einer kleinen „Wicked“-Parodie Bezug nimmt, nicht mithalten.

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