2024-25

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Choreografie, Bühne und Kostüm

Forget Me Not.J

Es tanzen

Kleines Haus

L und S

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Swans (WA)

2022-23

Schwäne jenseits von Schwarz-Weiß

<div>Dieser Schwan ist ein seltsamer Vogel: schwarzer Anzug, weiße Federboa – da weiß man nicht: gut oder böse? Gelsenkirchens Tanzchef Giuseppe Spota und Choreografin Caroline Finn widmen sich im aktuellen, tanztheatralischen Doppelabend „Swans“ nicht, was nahe läge, Tschaikowskys berühmtem Schwanengesang; sie beleuchten mit der MiR Dance Company zwei schillernde Außenseiter. Dafür gab es große Zustimmung im Musiktheater im Revier.Spota, der auch Bühne und Kostüme verantwortet, knöpfte sich für seine Choreografie mit dem wenig aussagekräftigen Titel „L and S“ (Leda und Schwan?) den antiken Mythos über Göttervater Zeus vor, der sich in einen Schwan verwandelte, um Königin Leda zu verführen. Dafür kreierte Spota ein umfassendes, intensives Duett auf düsterer Szene. Simone Scacchetti, lange verletzungsbedingt nicht auf der Bühne zu sehen, und Tanit Cobas, die der Company ab der nächsten Spielzeit angehören wird, verkörpern einen traumatischen Kampf der Geschlechter.Der elegante Mann mit der Federboa bewegt sich langsam, selbstbewusst, überheblich. Derweil kämpft die Frau mit vier riesigen schwarzen Ringen, die ihren Körper wie ein Korsett umfassen und ihn fast zur Bewegungslosigkeit zwingen. Tanit Cobas tanzt überaus geschmeidig und schwanengleich mit Händen und Armen, schält sich nach und nach aus den Fesseln heraus. Ihr enger Body aus Spitzenstoff wirkt wie Brautkleid und nackte Haut gleichermaßen, unschuldig, schutzlos, erotisch aufgeladen. Simone Scacchetti umgarnt sie mit charmant-fließenden Bewegungen. Ob der Liebesakt einvernehmlich oder erzwungen erfolgt, lässt Spota bewusst im Uneindeutigen, nicht aber, wer am Ende siegreich aus dem Geschlechterkampf hervorgeht.Die Britin Caroline Finn ließ sich für ihre kraftvolle, energiegeladene Kreation „Forget me not. J“ von Hans Christian Andersens Märchen „Das hässliche Entlein“ inspirieren. Eine Gruppe grenzt eine Figur, die dem abgestürzten Piloten aus Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ ähnelt, in einem abgerockten Lagerhallen-Ambiente konsequent aus. Das starke Ensemble zieht einander in eindrucksvoll energetischen Formationen an und stößt die Außenseiterin mit artistischen Würfen und Hebungen ab, ein modernes Tanztheater, untermauert von gebrüllten Befehlen in einer Fantasiesprache. Wenn am Ende die vermeintlichen Schwäne genauso aussehen wie das hässliche Entlein, erfüllt sich die Hoffnung auf eine Gemeinschaft dennoch nicht.Thomas Walschot komponierte für beide Choreografien einen stimmig treibenden Soundtrack, psychedelisch, poetisch, poppig. Einmal gar blitzt ein „Schwanensee“-Zitat auf.Ein komplexer, stark getanzter Abend, bei dem sich, wie häufig bei Spota, nicht alles offensichtlich und von selbst erschließt. In der nächsten Spielzeit wird sich der Italiener dem Thema Neuanfang widmen. Der wird es auch für seine Compagnie, denn sechs Tänzerinnen und Tänzer verlassen mit Saisonende das Musiktheater.</div>

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Kultur)

Schwäne ohne See

<div>Bei Schwänen und Tanz denkt man unwillkürlich an Tschaikowskys großen Ballettklassiker Schwanensee. Dass bei diesen grazilen Tieren auch ganz andere Assoziationen möglich sind, beweisen Giuseppe Spota und Caroline Finn in zwei Choreographien, die im Kleinen Haus im Musiktheater im Revier unter dem Titel Swans Ende der vergangenen Spielzeit zur Uraufführung kamen und nun mit teilweise neuer Besetzung wieder aufgenommen werden, da beispielsweise Brecht Bovijn und Genevieve O&#39;Keeffe das Ensemble verlassen haben und neue Tänzerinnen und Tänzer die MiR Dance Company verstärken. Ganz ohne den &#34;klassischen Schwanensee&#34; geht es dann aber doch nicht, und so hat der in Amsterdam geborene Tänzer Thomas Walschot, der neben seiner Karriere als Tänzer eine Reihe von Kompositionen für Theater- und Filmproduktionen kreiert hat, für den ersten Teil des Abends Themen aus Tschaikowskys berühmter Ballettmusik mit neuen Klangschichten überlagert, die den nicht mehr vorhandenen See zumindest erahnen lassen. Leda (Tanit Cobas) nähert sich neugierig dem vermeintlichen Schwan (Simone Frederick Scacchetti). Im ersten Teil des Abends widmet sich Giuseppe Spota, der Direktor der MiR Dance Company, der mythologischen Geschichte um die spartanische Königin Leda, die von dem griechischen Göttervater Zeus in Gestalt eines Schwans verführt wurde und anschließend unter anderem die schöne Helena als Ergebnis dieser Verbindung zur Welt brachte. In dem Titel des Stückes L and S verbirgt sich hinter dem S Zeus in Gestalt des Schwans, in der er sich Leda (L) nähert. Spota wählt in seiner abstrakten Tanzsprache einen schmalen Grat zwischen Erotik und sexueller Übergriffigkeit, so dass zu keinem Zeitpunkt eindeutig klar wird, bis zu welchem Zeitpunkt das sexuelle Abenteuer auf gegenseitigem Einverständnis beruht. Bevor das Stück im Kleinen Haus beginnt, hat man im Foyer das Gefühl, dass die Initiative zu einer Annäherung von Leda ausgehen könnte. Tanit Cobas gleitet in vier großen schwarzen Ringen, die sie wie ein Korsett einschnüren, durch das Foyer und sucht scheinbar den Kontakt zum Publikum. Wenn man ihr ausweicht, verfolgt sie einen sogar bisweilen ein wenig aufdringlich. Die gleitenden Bewegungen Cobas&#39; erinnern dabei nahezu selbst an einen Schwan. Untermalt wird die Szene von knisternden, knackenden Geräuschen. Wenn das Publikum den Saal des Kleinen Hauses betritt, sieht man Simone Frederick Scacchetti als Zeus bereits auf der Bühne posieren. Über seinen dunklen Anzug, der ihn als vornehmen Herren aus adeligem Haus erscheinen lässt, trägt er über der linken Schulter eine weiße Federboa, die wohl seine Verwandlung in einen Schwan darstellen soll. Im Hintergrund der Bühne lässt sich schemenhaft ein Wald erahnen, der dann mit den Motiven von Tschaikowskys Musik an das berühmte Handlungsballett erinnern. Leda fühlt sich von diesem geheimnisvollen Mann stark angezogen. Zeus behandelt sie zunächst recht distanziert und schreitet weiterhin majestätisch über die Bühne. Schließlich hilft er ihr in den vier schwarzen Ringen, die sie immer noch umgeben, auf die Bühne. Leda fühlt sich von diesen Ringen absolut eingeengt und will sich daraus befreien, will also gewissermaßen den gesellschaftlichen Zwang, dem sie als Königin unterliegt, abstreifen. Nach und nach legt sie mit Zeus&#39; Hilfe diese Ringe ab. Dann wiederum steigt sie gemeinsam mit Zeus in einen Ring, was dann wohl den Akt der Vereinigung darstellen soll. Dies alles geschieht zu einer abstrakten Klang-Collage, die Walschot über das Grund-Thema von Tschaikowskys Schwanensee gelegt hat. Cobas und Scacchetti setzen den Kampf und das Liebesspiel der Königin und des Gottes eindrucksvoll um. Wenn Cobas sich von allen Ringen befreit hat, wirkt sie in ihrem hellen Spitzenkostüm nahezu schutzlos und zerbrechlich. So verwundert es nicht, dass sie am Ende wieder in die Ringe zurücksteigt. Nun sollen die Ringe die vier Kinder darstellen, die sie laut Überlieferung nach der Begegnung mit Zeus gebar: Helena und Polydeukes als Kinder des Zeus und Klytaimnestra und Kastor als Kinder ihres Gatten Tyndareos. Das Publikum spendet Cobas und Scacchetti für die eindrucksvolle Gestaltung großen Beifall.Der zweite Teil des Abends von Caroline Finn widmet sich dem Märchen Das hässliche Entlein von Hans Christian Andersen, in dem ein Schwanenjunges als Außenseiter unter Entenküken aufwächst, bevor es sich zu einem bildhübschen weißen Schwan entwickelt. Der Titel Forget Me Not. J spielt dabei einerseits auf die Vergissmeinnicht- Blume an, die als Zeichen für die Hoffnung steht, und andererseits auf den Wunsch, von der Umwelt wahrgenommen und akzeptiert zu werden, was dem &#34;hässlichen Entlein&#34;, bevor es sich zum strahlenden Schwan entwickelt, nicht gelingt. Finn hat gemeinsam mit Spota und Ida Zenna einen Bühnenraum mit einem Gebilde aus vier Wänden geschaffen, das mal als Käfig fungiert, mal mit den zahlreichen vergilbten und rissigen Fensterscheiben an eine alte verlassene und verfallene Lagerhalle erinnert, die von der Natur allmählich zurückerobert wird. Hierhin hat sich die Mutterente (Chiara Rontini in einem blauen Kleid) zurückgezogen, um ihre Kinder zur Welt zu bringen. Während die anderen Enten (Konstantina Chatzistavrou, Simone Frederick Scacchetti, Yu-Chi Chen, Alessio Monforte und Pablo Navarro Muñoz) scheinbar problemlos schlüpfen und hinter der Wand vom Boden auftauchen, scheint das &#34;hässliche Entlein&#34; J (Marie-Louise Hertog) von Anfang an Schwierigkeiten zu bereiten, was sich durch die lauten Schreie des Muttertieres äußert. Während die anderen das &#34;Nest&#34; verlassen, muss Hertog von Rontini regelrecht durch eine leere Fensterscheibe in die Welt hinausgedrängt werden. Auch optisch unterscheidet sich Hertog mit ihrer Fliegermütze und dem Fliegeranzug von ihren vermeintlichen Geschwistern. In einer poppig-atmosphärischen Klang- Collage, die Walschot aus verschiedenen Kompositionen von klassischer Musik von Franz Schubert bis hin zu zeitgenössischer Musik von Zbigniew Preisner mischt, werden nun die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der &#34;Küken&#34; gezeigt, die sich ihren Platz im Leben suchen. Während die anderen keine Probleme haben, menschenähnliche Beziehungen aufzubauen, wird Hertog als J stets ausgegrenzt. Dies wird in unterschiedlichen Formen des modernen Tanzes dargestellt. Dabei beweisen die Tänzerinnen und Tänzer großen Körpereinsatz mit viel Akrobatik und gehen mit Hertog nicht gerade zimperlich um. Nach der Ausgrenzung durch Bewegung folgt ein weiterer Ausschluss durch die Sprache. Das Ensemble tauscht sich in einer Fantasiesprache aus, die Hertog zu verstehen versucht, was ihr jedoch nicht wirklich gelingt. Zwar hat sie eine Idee, was die anderen von ihr wollen, und versucht, es ihnen stets recht zu machen, ist dabei aber zum Scheitern verurteilt. Schließlich bleibt sie einsam und allein zurück, bis ein &#34;Gleichgesinnter&#34; (Pablo Navarro Muñoz) auftaucht, der ebenfalls eine Fliegermütze und einen Fliegeranzug trägt und versucht, in einem Pas de deux zu J zu finden. Doch J hat ihr Vertrauen in die Gesellschaft verloren. Als auch die anderen mit Fliegermütze und einer blauen Vergissmeinnicht-Blume in einem kleinen Blumentopf auftreten und sich fröhlich tanzend zu Charles Aznavours &#34;Il faut savoir&#34; bewegen, erkennt J, dass sie nichts mit ihresgleichen gemein hat, und schließt die vier Wände zu einem Käfig, in dem die anderen Schwäne sich weiter leicht dümmlich zur Musik bewegen. J legt die Fliegermütze ab und füttert die übrigen Schwäne mit blauen Vergissmeinnicht-Blüten.FAZIT Spota und Finn finden in ihren Choreographien bewegende Bilder. Die Musik des Abends gestaltet sich bisweilen jedoch als ein bisschen anstrengend und eintönig und lässt einige Längen entstehen.</div>

Online Musik Magazin

Mythos und Märchen regen die Ballettbühne an

<div>Das berühmteste Märchenballett? Da zögern passionierte Tanz-Liebhaber nicht lange. Tschaikowskys „Schwanensee“, das romantische Märchen vom guten weißen und vom verschlagenen schwarzen Schwan, führt bis heute die Hit-Liste an. Der Gelsenkirchener Ballettchef Giuseppe Spota leitet daraus einen raffinierten Geschlechterkampf ab. In seiner neuen Tanzschöpfung „L and S“ verquickt er Märchen und Mythos. Sie eröffnet einen zweiteiligen Abend mit dem Titel „Swans“ (Schwäne) im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier. Die Doppelproduktion wurde Ende der letzten Spielzeit nur einmal gezeigt. Nun erlebte sie eine umjubelte B-Premiere in neuer Besetzung – ohne Genevieve O’Keeffee und Brecht Bovijn, die beide zusammen mit vier weiteren Tänzerinnen und Tänzern die MiR Dance Company verlassen haben. „L and S“ spielt auf den griechischen Mythos von Leda, der keuschen spartanischen Königin, und dem lüsternen Zeus an. Der Götter-Macho nähert sich der Reizenden in Gestalt eines Schwans, um sie zu nicht einvernehmlichem Sex zu animieren und zu schwängern. Das Ende, die Geburt der schönen Helena, die indirekt den Trojanischen Krieg auslöst, interessiert hier nicht. Wohl aber der erotisch aufgeladene Konflikt von Männlichem und Weiblichem. Den Choreografen Giuseppe Spota hat der Mythos zu einem ausgedehnten, hinreißend virtuos getanzten Pas de deux inspiriert. Aus dem Dunkel des Parketts betritt die neu engagierte, bewundernswert agil tanzende junge Spanierin Tanit Cobas die Bühne in einem schützenden, aber auch einengenden Kokon aus vier schwarzen, übereinander geschichteten runden Wülsten die Bühne. Hier ergeht sich schon vor Beginn Simone Scacchetti im schwarzen Anzug mit weißer Feder-Boa wie ein Gockel. Ein hochvirtuoses Spiel aus Anziehung und Abweisung beginnt, bis Tanit Cobas in hautengem, körperfarbenem Spitzenkostüm einen Reifen nach dem anderen abstreift. Schlangen- und Bauchtanz wechseln ab mit harten Flamenco-Rhythmen, bis sich das ungleiche Paar in der letzten Wulst vereinigt. Dazu klingt in Thomas Walschots Auftragskomposition mehrfach das berühmte Adagio-Motiv aus „Schwanensee“ an. Kostüme und den diffusen Bühnen-Hintergrund hat der kreative Ballettchef selbst entworfen. Und dazu gleich noch das prägnante Bühnenbild zu „Forget me not. J“, Caroline Finns Paraphrase des Andersen-Märchens vom hässlichen Entlein. Die Amerikanerin, ausgebildet an der legendären New Yorker Juilliard School, hat lange die National Dance Company Wales geleitet. Prägendes Bühnenelement ist ein Würfel aus verschiebbaren Wänden mit wenigen verbliebenen, verblichenen Scheiben - die melancholisch getrübte nostalgische Anmutung eines Fabrikrelikts. Zu Tropfengeräuschen, Spieluhrenmusik und Amboss-Gehämmer wird J als hässliches Entlein verspottet und gemobbt. Allerliebst in historischer Fliegerkappe und Flieger-Overall weiß sich die zierliche Niederländerin Marie-Louise Hertog zur Wehr zu setzen. Am Ende gleichen ihr alle anderen im selben Kostüm (entworfen von Caroline Finn). Finn versteht sich darauf, Typen herauszukristallisieren. Aber die Wandlung findet auf der Tanzbühne nicht statt. Die ausgesperrte Außenseiterin geht zu Happy-End-Gesäusel stolz ihren eigenen Weg. Ist das ironisch gemünzt?</div>

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