2024-25

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Track 1

Track 2

Track 3

Track 4

Lysander

Musikalisches Arrangement

Dramaturgie

Snug/Löwe

Großes Haus

Musiker

Peter Quince/Prolog

Ballettmeister

Bühne und Kostüm

Lichtdesign

Philostrat/Puck

Theseus/Oberon

Hippolyta/Titania

Hermia

Demetrius

Francis Flute/Thisbe

Tom Snout/Wand

Akkordeon

Helena

Mrs. Starveling/Mond

Nick Bottom/Pyramus

Klavier

Inszenierung und Choreografie

Ein Sommernachtstraum 580x434

Ein Sommernachtstraum

2018-19

Programmheft zu "Ein Sommernachtstraum"

Universum tänzerischen Ausdrucks

Kein anderes Stück Shakespeares ist so herrlich kompliziert wie der Sommernachtstraum. Es regieren vier Ebenen, in denen durch Zauberkraut und Götterknatsch nochmals doppelte Böden lauern. Umso mehr staunt man, mit welch leichter Hand Gelsenkirchens Ballett-Chefin Bridget Breiner in ihrer Abschiedsarbeit solche Knoten löst. Sie webt einen Tanzabend, der das feine Gespinst der Elfenwelt nicht weniger erfühlt als die dralle Klamotte, die die Handwerker-Bagage gebiert. Am Ende steht das Publikum, es jubelt, es johlt. Und Breiner lächelt bescheiden.

Diese feenhaft zarte Frau aus Connecticut, der das Musiktheater im Revier eine denkwürdige Ballett-Ära verdankt, schuf ihre großen Abende oft aus düsterem Stoff. Und nun das Gegenteil: vertanzte Liebeswirrnis im Glück scheinbarer Gewissheit auf Erden. Doch wechseln die Herzen bald den Besitzer: Shakespeares Menschen-Paare geraten unter die Räder einer Intrige, die nicht von ihrer Welt ist. Oberon und Titania, unversöhnlich über die Treulosigkeit des Anderen, reißen die heile Welt mit in eine (am Ende heilsame) Schlacht der Irrungen.

Hülse nur für Anfang und Ende ist ein höfisches Marmorportal – Jürgen Kirners zentraler Bühnenmotor aber ist jene von feinen Adern durchwirkte Halbkugel, in deren zauberischer Schönheit alles liegen kann: Augapfel des Göttlichen, riesiger Blütenkelch, auch der Sturz, unter dem alles verhandelt wird, und der Radar, dem nichts entgeht: die Sehnsucht nicht und die Enttäuschung, der Neid und die Begierde.

Breiner reizt für ihre Ballettcompagnie ein Universum des Ausdrucks aus – die Menschenpaare turteln fast konventionell, die Elfen vierbeinern sich als amorphe Ungeheuer über die Bühne, um bald aller Schwerkraft Hohn zu sprechen. Oberon (exzellent, ein Gott ganz ohne Kraftmeierei: Paul Calderone) schenkt Breiner einen großen, musiklosen Körper-Monolog allein begleitet vom schwülen Orchester tropischer Vogelstimmen. Breiner findet beides: originelle tänzerische Entsprechungen zu Shakespeare und zugleich extrem passgenaue Bewegungschiffren für die Stärken ihrer außergewöhnlichen Tänzerpersönlichkeiten. Wenn Titania sich dem zum Esel gewordenen, treudoofen Bottom schnappt, liest Breiner in der unstandesgemäßen Liaison weit mehr als eine naheliegende Frivolität: Wie diskret man unverschuldete Geilheit in Bewegung bringt, tanzen Bridgett Zehr und Ledian Soto rührend komisch.

Breiners Musik-Auswahl schenkt dem Abend eine rasante Wundertüte: Mendelssohn gibt es teils live von Akkordeon (Marko Kassl) und Klavier (Annette Reifig), bei Duke Ellington vermählen sich Swing und Spitzentanz und im Zwerchfellerschütterndsten, was Ballette der Region aktuell zu bieten haben, rotiert zum Gender-Schwank der herrlichen Handwerker Musik von Mrs. Millers windschiefem „Moon River“ bis zu Wagners „Tristan“.

Eine überwältigende Ensembleleistung, der wir mit Genesungswünschen huldigen: Hitomi Kuharas charmegeladener Puck tanzte, früh verletzt!, tapfer (und einbeinig) bis zum Schluss. Brava!

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Kultur)

Fast ein kleines Wunder

Es grenzt an ein Wunder. Der amerikanischen Ballettchefin Bridget Breiner und ihrer kleinen, feinen Compagnie ist am Musiktheater im Revier (MiR) mit dem Ballett „Ein Sommernachtstraum“ ein Bühnenwunder gelungen, bei dem schlichtweg alles stimmt.

Zu bewundern sind ein Ballett im Revier, das über sich hinauswächst, Tanz und Musik, die einander beflügeln und eine vor Witz und Raffinesse sprühende, von Beginn an fesselnd einfallsreiche Choreografie. Es ist ein fürstlich funkelndes Abschiedsgeschenk an ein Publikum, das Breiners originelle Auseinandersetzung mit dem Handlungsballett als leicht angestaubter Spezies von Beginn an mitgetragen hat. Dieses Publikum sprang auf, um Breiner, ihr Ausstattungsteam und vor allem ihre 14-köpfige Tänzerschar mit Klatschmärschen zu feiern und mit Ovationen zu überschütten.

Die Auseinandersetzung mit Shakespeares unverwüstlicher Komödie hat sich die 44-Jährige aufbewahrt bis zum Schluss. Als Abschiedsgeschenk nach sieben erstaunlich fruchtbaren Jahren im Revier. Und als Höhepunkt ihrer befeuernden Arbeit. Den „Sommernachtstraum“ auf die Tanzbühne zu heben, ist durchaus ein Wagnis. Immerhin haben sich so bedeutende Choreografen wie John Neumeier oder Heinz Spoerli mit diesem tiefgründigen und vielschichtigen Stoff auseinandergesetzt. Wie federleicht und dennoch fesselnd Bridget Breiner das Abenteuer Shakespeare mit kluger Dramaturgie von der Hand geht – das ist angesichts solcher Konkurrenz staunenswert.

So verschlungen wie der Elisabethaner folgt sie den Turbulenzen amouröser Verwicklungen zwischen heller Welt der klaren Regeln wie der Etikette am Hofe von Athen und der dunklen Sphäre der Magie und triebhaft emotionaler Elementargewalten im nahen Feenwald. Bei Breiner wird schlagartig klar, wie beide Seiten des Menschen, heller Verstand und das Dunkel des Unbewussten, einander bedingen. Entscheidend dafür ist die spiegelbildliche Doppelbesetzung der beiden federführenden Paare. Bridgett Zehr tanzt die Amazonenkönigin Hippolyta so erhaben, wie sie girrend vor zuckendem Verlangen die nach einem Esel schmachtende Feen-Herrscherin Titania keineswegs dem Gelächter preisgibt. 

Mit Titania hatte einst Paul Calderones Herzog Theseus eine Affäre. Als Elfenkönig Oberon tanzt er einen rasanten Pas de deux mit Puck, dem willfährigen Kobold, der unter jungen Liebespaaren in seinem Übermut heillose Verwirrung auslöst. Unter den grazilen Tänzerinnen ist die Japanerin Hitomi Kuhara die zierlichste. Hinreißend, wie komödiantisch sie einen übermütigen Puck ohne hinterhältige Bosheit tanzt. Hoffentlich heilt die Verletzung rasch, die sich dabei zuzog. Den gedehnten Tanz der hellen Welt mit gespreizten Gliedmaßen konfrontiert Breiner mit einer bewundernswert geschmeidig umgesetzten, spielerisch tändelnden Tanzsprache im Feenwald. Hier laufen die jungen Paare zur Hochform auf: Francesca Berruto als Hermia, in die Carlos Contreras‘ Lysander und Louiz Rodrigues‘ Demetrius zunächst verknallt sind, bevor sie sich, betäubt durch Pucks Zauberblume beide Sara Zinna als Helena zuwenden. Hier erleben wir endlich einmal die Handwerker um Ledian Soto als Esel Nick Bottom und als Römer Pyramus im Spiel des Spiels nicht als tumbe Truppe. Valentin Juteaus Thisbe-Travestie und Sarah-Lee Chapmanns Stepp-Parodie in nostalgischer Stummfilm-Ästhetik sind alles andere als Alberei.

So raffiniert wie die Fülle an tänzerischen Einfällen ist der Musik-Mix mit Ouvertüre samt Scherzo, Notturno und Hochzeitsmarsch aus Mendelssohns Schauspielmusik „Ein Sommernachtstraum“, Duke Ellingtons Album „Such Sweet Thunder“ als passgenauer Handwerker-Musik, parodistischen Gounod- und Wagner-Zitaten samt zeitgenössischer Stücke mit dem überragenden Akkordeonisten Marko Kassl und Annette Reifig am Klavier, die auch noch Mendelssohns empfindsame „Lieder ohne Worte“ beisteuert. Erheblichen Anteil am Erfolg haben Jürgen Kirnes reduzierte Ausstattung und Bonnie Beechers brillantes Lichtdesign.

Recklinghäuser Zeitung

Ein Shakespeare-Ballett für das 21. Jahrhundert

Der Zauber dieser schönsten Komödie des Engländers breitet sich schon vor Beginn der Premiere bis in den leeren Orchestergraben aus, in den breite Treppenstufen führen. Malerisch ist darüber der hauchzarte Vorhang drapiert, später fließt die weiße Schleppe von Hippolytas Brautkleid hinab. Zur festlichen Mendelssohn-Ouvertüre schreitet der Athener Theseus - schön wie Adonis, hochmütig und ernst - durch das schmale Portal, vor dem die Untertanen ihm huldigen und seine unglückliche Braut Hippolyta ihrem Geschick tieftraurig, aber royal aufgerichtet entgegenblickt. Winzling Philostrat in schwarzem Frack und Zylinder dirigiert die Volksschar, bis fast unmerklich Wirklichkeit zum Traum mutiert. Herzog und Amazonenkönigin fechten ihre Rivalitäten als Oberon und Titania im nächtlichen Elfenreich aus.

Putzig erdfarbene, gesichtslose Elfen umspielen ihre schöne Königin in der rot-wallenden Robe unter riesigem Schirm. König Oberon, das fleischfarbene Trikot nur andeutungsweise mit bunten Strichen dekoriert, ein fast lachhaft zartes Krönchen auf der schwarzen Haarpracht, streift als Platzhirsch durch die Nacht, umspielt von Puck, seinem quirligen dienstbaren Kobold mit riesigen Ohren. Die vier verquer Verliebten Hermia (Francesca Berruto), Helena (Sara Zinna), Lysander (Carlos Contreras) und Demetrius (Louiz Rodrigues) wuseln dazwischen herum, zanken und zetern, schmachten und schmollen.

Marko Kassl lässt Akkordeon-Klänge von fern tönen und Annette Reifig Klavierkaskaden perlen. Zwischendrin scheppern Jazziges und Big Band-Sound aus Lautsprechern, wenn ein verwunderliches Rudel von Waldtieren derb durch das Chaos poltert: ein Bieber mit breiter Schwanzflosse und weißen Hauern, ein Eichhörnchen mit gewaltigem, orangefarbenen Schweif, ein buntes Vögelchen, ein weiser Uhu und natürlich der tapsige Esel. Der weiß so gar nichts mit dem zarten, liebkosenden Fräulein anzufangen - bis sie schließlich oben auf ihm hockt und er glückselig zu schrillen Trompetenkieksern i-a't, bis der Vorhang sich diskret über der kuriosen Kopulation senkt und die Zuschauer jubelnd in die Pause gehen.

Jeder weiß, dass hinterher alles happy endet - und sogar Hippolyta, die sich wehmütig an ihren kleinen Liebestraum erinnert, spürt, dass das wirkliche Leben an Theseus' Seite gar nicht so furchtbar werden könnte, als er sich nähert und sehr zärtlich ihre Hände küsst.

Davor allerdings ging's noch einmal so richtig deftig zu, als das uklige Sextett der Handwerker-Waldtiere nach dem Prolog des Uhus Peter Squenz (José Urrutia) die Liebestragödie von Pyramus (Ledian Soto) und Thisbe (Valentin Juteau) zum Besten gibt, garniert mit allerlei Jahrmarkteinlagen von Ballerina-Mond (Lucia Solari) und Stepptanz-Löwe (Sarah-Lee Chapman) um und durch die Mauer (Mason Manning). Puck indes stolpert über die eigenen, riesig gewachsenen Füße, sodass Hitomi Kihura die ihr zu Recht gewidmeten Applaussalven am Ende der Premiere nur humpelnd entgegen nehmen konnte - oder geschultert vom durch und durch galanten und vorher mit höchster Eleganz tanzenden Theseus-Oberon Paul Calderone. Bridgett Zehr ist als Hippolyta-Titania schauspielerisch hinreißend und entfacht ein tanztechnisches Feuerwerk, wenn sie kreiselt, hüpft, sich biegt und spreizt.

Erstaunlich, wie unerschrocken und einfallsreich, mit welch entwaffnendem Witz und ungekünstelten Ernst sich dieser David „Ballett im Revier" neben dem benachbarten Goliath „Ballett am Rhein" entwickelt hat. Man mag gar nicht dran denken, wie's hier wird, wenn Bridget Breiner am Staatstheater Karlsruhe Glanzlichter setzt und Martin Schläpfer, ein Jahr später, nach Wien übersiedelt.

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