2024-25

balett

dancing

Track 3

Track 4

Track 5

Track 1

Track 2

Romeo

Pater Lorenzo

Lichtdesign

Straßenparty, Chronos-Gruppe

Großes Haus

Zofe

Mercutio

Julia

Bühne und Kostüm

Inszenierung und Choreografie

Chorus

Textcollage

Musikalische Leitung

Lady Capulet

Lord Capulet

Paris

Solistencoaching

Ballettmeister

Tybalt

Dramaturgie

Romeo und Julia

2017-18

Mit packender Intensität getanzt

Shakespeares Tragödie „Romeo und Julia“ inspirierte den russischen Komponisten Sergej Prokofjew 1935 zu einem der reizvollsten Meisterwerke in der Geschichte des Handlungsballetts. Es bedeutet allerdings auch eine der größten Herausforderungen für Choreografen und Tanzcompagnien. Nicht nur wegen seiner kräftezehrenden Spieldauer von weit über zwei Stunden.

Und auch nicht nur wegen der abrupten Ausdruckswechsel und ihrer rhythmischen Volten in den 37 Musiknummern, die dem Dirigenten und dem Orchester eine ebenso aufreibende Leistung abverlangen. Nein, das größte Hindernis ist heute zweifellos eine vom Schwulst triefender Klischees überschattete Aufführungstradition.
Umso erstaunlicher wirkt, was Ballettdirektorin Bridget Breiner mit ihrer gerade mal 14-köpfigen Truppe im Großen Haus des Musiktheaters im Revier erfrischend unsentimental unter überschäumendem Jubel auf die Bühne zaubert. Das gelingt ihr, weil sie das Werk von seinem inneren Kern her deutet. Breiner versteht den Zusammenprall einer in konventionellen Traditionen erstarrten Vergangenheit mit der gefährdeten Zukunft einer jungen Liebe als Auslöser eines fatalen Konflikts. Und genau so lässt sie die unschuldige Annäherung des jungen Paares über alle Widerstände hinweg vor dem Hintergrund des unerbittlichen Haders ihrer beiden verfeindeten Adelsfamilien tanzen: klassisch im Bewusstsein der Tradition und verblüffend in der innovativen Verdichtung verfeinerter Seelenschwingungen.

Charakteristisch dafür ist die große Ballszene im Zentrum des ersten Aktes. Hier interessiert die amerikanische Choreografin nicht im mindesten der äußere Pomp, nicht die große Geste des Spektakels, weder im Menuett zum Auftritt der Gäste im Hause Capulet noch in der nicht minder höfischen Gavotte zum Abschied. Tiefenschärfe gewinnt stattdessen, wie Ledian Sotos versonnener Romeo in der ersten Begegnung die Gefühlswelt Francesca Berrutos als mädchenhaft verträumter Julia aufwühlt. Das ist in dieser Idealbesetzung auch in der Balkonszene als zaghafter Annäherung mit packender Intensität getanzt und finessenreich choreografiert.

Hinreißend authentische Wirkung gewinnt dieses Ballettereignis nicht nur, weil sich die tänzerische Geste eng an die Musik anschmiegt und im Umkehrschluss die Musik mit ihren verfeinerten Seelenschwingungen den Tanz stimmig inspiriert. Breiner hat sich auch der Motive bei Shakespeare genau vergewissert. Nicht nur im Prolog zum ersten Akt, auch vor den beiden folgenden Akten tritt, in Leder gekleidet, Bridgett Zehr windungsreich als Schattenwesen aus dem Totenreich zu einem zerfetzten Gewirr aus Shakespeare-Zitaten in Englisch, Deutsch und Italienisch auf. Und wenn zu Beginn Tücher über den kauernden Tänzern gelüftet werden, scheint es, als hebe eine Geschichte aus uralten Zeiten an, die im Verlauf des Abends zu dichter Nähe findet.

Zu den Stärken dieser Aufführung zählt Jürgen Kirners ästhetisches Holzkonstrukt aus gradlinigen und geschwungenen Teilen, die Öffnung und hermetische Abschirmung in einem signalisieren. Tänzerisch ragen neben dem Liebespaar Tessa van Heusdens Lady Capulet, Valentin Juteau als Romeos aggressiver Gegenspieler Tybalt und Louiz Rodrigues als Romeos Gefährte Mercutio hervor. Dirigent Rasmus Baumann durchglüht die Musik mit der Neuen Philharmonie Westfalen unerhört farben- und nuancenreich zwischen verwunschenem, flüchtigem Zauber und einer bis zum Siedepunkt getriebenen schneidenden Schärfe. Das ist auch ein Klangereignis sondergleichen.

Recklinghäuser Zeitung

Eishockey meets Neoklassik

In „Romeo und Julia“ pendelt Breiner zwischen Science Fiction, Antike und Renaissance. Ihre Choreografie ist eine Liebeserklärung an das neoklassische Ballett. Die Montagues und Capulets kämpfen gegeneinander wie außerirdische Eishockeyteams in eng anliegender schwarzer Lederrüstung, unter vergitterten weißen Schutzhelmen und bunten Gelenkschonern. Holzstäbe sind ihre Waffen. 
Mobile Gitterwände, geschwungene Gehege und Laufräder aus schmalen Latten begrenzen ihr Terrain. In diesem grandios theatralen Ambiente von Rivalität und Gewalt (Ausstattung Jürgen Kirner) entwickelt sich die rührendste und traurigste Liebesgeschichte der Weltliteratur. Bridget Breiner pendelt in ihrer „Romeo und Julia“-Inszenierung zwischen Science Fiction, Antike und Renaissance. Ihre Choreografie ist eine Liebeserklärung an das neoklassische Ballett des 20. Jahrhunderts mit deutlich eigener Signatur der amerikanischen Ballerina, die auch choreografisch von der Stuttgarter Schule und deren Heros John Cranko geprägt worden ist. Mit dessen Shakespeare-Balletten begann bekanntlich der Lauf von Prokofjews heute meist gespieltem Ballett im Westen. Breiner fügt als „Chorus“ (in Anlehnung an den antiken, das Geschehen kommentierenden Chor?) eine weibliche Figur ein, die vor Beginn und immer wieder zwischendrin, begleitet von flüsternden oder laut rezitierenden Stimmen, die Szene betritt. Bridgett Zehr tanzt sie mit atemraubender Eleganz und überaus geschmeidig. Leider sind die vielfach überlagerten Texte in verschiedenen Sprachen nicht zuzuordnen. Neben Shakespeare auch Friedens- oder Versöhnungsappelle? Düster und Menschen-fern bleibt auch die „Chronos-Gruppe“, die, unter Henkerkapuzen und Capes verborgen, nach dem Chorus-Vorspiel die weißen Tücher von den erstarrten Kampf-Gruppen entfernt. Wie Walküren sammeln sie nach dem Gemetzel die Toten vom Schlachtfeld auf, häufen sie auf ihren Rollwagen mit dem hölzernen Totengerippe. Effektvoll archaisch beginnt dieser Auftakt zur Kakophonie von Prokofjews Kampf-Musik. Breiner nimmt den deprimierenden Schluss vorweg, dass die Liebe des jungen Paares die Versöhnung der Veroneser Adelsfamilien nicht bringen wird.

Im übrigen aber erzählt Gelsenkirchens Ballettdirektorin die Liebestragödie in großen Zügen so, wie Shakespeare sie erdachte. Prachtvolle Bilder reihen sich zu der so plastischen Musik mit ihren schnell wechselnden Rhythmen aneinander. Die Neue Philharmonie Westfalen spielt sie unter Rasmus Baumann vorzüglich. Großartige Ballroben, edle Gewänder und pfiffige Volkskleider mit Röcken aus wehenden bunten Bändern spiegeln die Veroneser Renaissance. Grandios getanzte Gruppenszenen wechseln mit charaktervollen, technisch anspruchsvollen Soloauftritten. Ledian Soto tanzte bei der Premiere den Romeo federleicht und so ausdrucksvoll wie er jünger, natürlicher, glücklicher und verzweifelter kaum denkbar ist. Francesca Berruto rührt – bei kraftvoller akrobatischer und athletischer Virtuosität mit makelloser Spitzentechnik – als Hauch eines jungen Mädchens, das angesichts von Romeo plötzlich eine neue Welt, ein ganz anderes Leben ahnt als die von den Eltern geplante steife Existenz an der Seite von Paris, obwohl dieser junge Mann hier beileibe nicht den stinkreichen Langweiler gibt wie meist. Carlos Contreras tanzt wie ein junger Gott und entzückt mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. Da wünscht man ihm durchaus nicht derart spießige, zickige Schweigereltern (Lady und Lord Capulet) wie sie die schöne Tessa Vanheusden und der drahtige José Urrutia porträtieren. Dass Pater Lorenzo hier zu einem Derwisch-artigen Wirbelwind in flatternder Soutane wird, ist Breiners generöses Geschenk an den dynamischen Paul Calderone – und das Publikum! Louiz Rodrigues (Mercutio), Valentin Juteau (Tybalt) und Rita Duclos (Zofe) komplettieren das Ballett im Revier bei dieser bemerkenswert reifen, gelungenen Premiere in Gelsenkirchen.

tanznetz.de

Hochkarätig getanzt

Shakespeare hat das Wort. Nicht Tanz, nicht Töne eröffnen den Ballettabend am Musiktheater im Revier, sondern Textfragmente. Aus allen Ecken scheinen sie zu kommen, wispernd, magisch, geheimnisvoll dräuend

Bridget Breiner, Direktorin der Gelsenkirchener Compagnie, nimmt den Dramatiker beim Wort. Ihre Sicht auf sein Liebesdrama „Romeo und Julia“ kommt zur Musik von Sergej Prokofjew ohne starke Brüche und gequälte Aktualisierung als neoklassisches Handlungsballett auf die Bühne. Das Premierenpublikum feierte den hochkarätig getanzten Abend mit minutenlangem Jubel.

Der Zwang zur Beschränkung erwies sich beim Gelsenkirchener Ballett einmal mehr als Glücksfall. Die Compagnie ist mit 14 Tänzerinnen und Tänzern eigentlich zu klein besetzt, um große Ensembleszenen wirkungsvoll umzusetzen. Dass das dennoch glänzend gelingt, liegt an dem exzellenten Spitzenniveau, auf dem die komplette Truppe tanzt. So geriet das wohl bekannteste Drama der Weltliteratur über die bedingungslose Liebe bis in den Tod zu einem Fest klassischen Tanzes, gepaart mit kraftvollen Anklängen moderner Körper- und Bildersprache.

Bridget Breiner erzählt auch diesen Shakespeare (ähnlich wie „Prosperos Insel“) weitgehend als Nachtstück. Die abstrakte, zeitlich nicht verortete Bühne Jürgen Kirners gerät kühl und nüchtern mit ihren Versatzstücken aus dünnen Holzleisten, die, mal dynamisch geschwungen, mal in geraden Linien, immer neue Räume schaffen, sehr beweglich, tänzerisch fast. Die spiralförmigen Elemente tragen dazu bei, dass sich die Tänzer auf der großen Bühne nicht verlieren, sondern immer wieder in den Fokus geraten.

Das tun sie ohnehin in den großen Ensembleszenen, dem Ball im Hause Capulet, dem Kampf der verfeindeten Clans. Kirner, auch für die Kostüme verantwortlich, steckt sie in bedrohliche, dunkle Lederanzüge und martialische Masken, die sich nur farblich unterscheiden und bei der Identifizierung helfen. Breiner lässt die Männer nahezu archaisch athletisch tanzen, verzichtet auf Degenklirren und Säbelrasseln, gekämpft wird mit schlichten Stöcken.

Die choreografierte Mischung aus Neoklassik und modernem Bewegungsvokabular spiegelt sich in den Kostümen wider, wenn die Kämpfer in jugendlicher Lederkluft und die Adelsvertreter in historischen Roben tanzen. Tücher, die enthüllen und verhüllen, wehen über die Bühne.

Zwischen den verfeindeten Clans die beiden liebenden Lichtgestalten: Eine wunderbare Francesca Berruto tanzt in weißem Gewand, erst Hochzeitskleid, am Ende Totenhemd, eine federleicht schwebende Julia, die sich aus der Enge der gesellschaftlichen Zwänge befreit. Ihr zur Seite steht mit Ledian Soto ein elegant-kraftvoller Romeo, der Leidenschaft, Kampfgeist und romantische Seele verkörpert. Ihr Pas de deux in der Balkonszene – ein Höhepunkt.

Als kommentierender Chorus spiegelt eine ausgezeichnete, modernem Tanz verpflichtete Bridgett Zehr das Geschehen. Louiz Rodrigues und Valentin Juteau verkörpern kraftvoll Mercutio und Tybalt. Tessa Vanheusden tanzt elegant-distinguiert die Lady Capulet, Rita Duclos die begleitende Zofe. Zarte, lyrische Linien und harte Rhythmen dringen opulent aus dem Orchestergraben. Rasmus Baumann dirigiert mit Vehemenz die schneidenden Klänge, setzt dramatische Akzente und leise Linien. Auf die berührende Todesszene folgt der Triumph für die Akteure.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Kultur)

Gloria Iberl-Thieme

Romeo und Julia

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Hochkarätig getanzt

Mit packender Intensität getanzt

Eishockey meets Neoklassik