2024-25

dancing

balett

Ballettmeister

Tänzerinnen der Ballettcompagnie

Gasttänzer

Kostüme

Ballett Manager

Kulygin, Choreograf, Ballettdirektor, Maschas Ehemann

Werschinin, Gastsolist, Maschas Geliebter

Andrej, Solist

Mascha, 1. Solistin

Natascha, Elevin

Olga, ehemalige Ballerina, Ballettmeisterin

Tusenbach, Impresario der Ballettcompagnie

Dramaturgie

Irina, Solistin

Bühne

Choreografie

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Kleines Haus

Drei Schwestern

2013-14

Ein poetischer Glücksfall

Für das Kleine Haus des Musiktheaters im Revier hat Gastchoreographin Cathy Marston, die in der Spielzeit zuvor schon Strawinskis Orpheus in Szene setzte, ein ungemein atmosphärisches und  poetisch anspruchsvolles Kammerballett erfunden, in dem das Ensemble sich sozusagen selbst gespiegelt erkennt. Wie ist ihr das gelungen?
Sie hat sich Anton Tschechows Drama „Drei Schwestern“ zu eigen gemacht, in dem drei junge Russinnen mit verzweifelter Sehnsucht Auswege aus ihrer provinziellen Enge suchen, sie aber letztlich nicht finden. Aber sie hat diese Problematik auf das Leben einer Tanztruppe bezogen, die im Ballettsaal im täglichen Training, auch gegeneinander, darum kämpft, Außerordentliches zu erreichen, aber nachts allein gelassen, nach Liebe sucht oder in Träume, ja in Alpträume verfällt. Damit aber hat Marston die Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles mitten ins eigene Herz getroffen: sie ertanzen ihre Partien nicht nur mit hohem technischen Können, sondern mit Leidenschaft, ja sie erfühlen sie, weil sie sich selbst dabei erkennen müssen. Und so gelingt der Choreographin und dem Team ein dichtes, durchgestaltetes Meisterstück.
Im Mittelpunkt stehen natürlich die drei Schwestern: Olga, die Ballettmeisterin, die keine Illusionen mehr hat (Kusha Alexi) –  Mascha, die Ballerina, die ihre unglückliche Ehe zu vergessen sucht (sie tanzt Bridget Breiner, Gelsenkirchens Teamchefin selbst) – Irina, die träumerische, noch hoffnungsvolle (Aidan Gibson). Die drei ertanzen, erspielen ihre Rollen mit höchster künstlerischer Anmut und Präzision und erfüllen sie dabei wirklich mit sehnsüchtiger Leidenschaft. Und so wird dieses ‚Handlungsballett‘, was auch geschieht und verflochten wird, vom Zuschauer ganz unmittelbar verstanden.
Alles ist wunderbar aufeinander bezogen: das gesamte Tanzteam, die Lichtstimmung, die sparsame Bühne (Dirk Becker), die zarten Kostüme (Ines Alda). Und sehr gut gewählt und choreographisch umgesetzt ist vor allem auch die Musik: beim Exercise im Ballettsaal unbekanntere Klavierstücke von Rachmaninow, bei den nächtlichen Träumen und Albträumen sphärische Klänge von Arvo Pärt. Die „Drei Schwestern“ in Gelsenkirchen – ein Tanzabend mit Anspruch und hohem Aussagewert: ein poetischer Glücksfall.


Ruhr-Nachrichten

Das Unglück ungelebten Lebens

Tschechows hellsichtiges Endspiel von 1901 handelt anders als bei Beckett nicht vom Ende menschlicher Existenz, sondern vom Unglück ungelebten Lebens. Und von einem in Konventionen erstarrten russischen Bürgertum am Vorabend eines neuen Zeitalters, der russischen Revolution. Ein solches, von Melancholie durchtränktes Konversationsstück auf die Ballettbühne zu hieven, erscheint auf den ersten Blick tollkühn. Aber es funktioniert am Musiktheater im Revier (MiR) in der dichten Kammerspiel-Atmosphäre des Kleinen Hauses bestechend.
 
Dank eines raffinierten Einfalls der englischen Choreografin Cathy Marston. Mit der Gelsenkirchener Ballettdirektorin Bridget Breiner verbindet sie nicht nur die Herkunft aus dem angloamerikanischen Raum. Auch Marston, seit 2007 Ballettchefin in Bern, lässt sich durch literarische Vorlagen zu Handlungsballetten moderner Prägung anregen. Und wie Breiner hat sie die tänzerische Bodenhaftung nicht verloren. Neben ihrer choreografischen Karriere trat sie lange als Solistin auf. Tschechows Vorlage verlegt sie in einen Ballettsaal irgendwo in der russischen Provinz, wo Tanz für grazile junge Frauen noch als Lebenselixier gilt. Aus den Generalstöchtern werden drei Ballerinen, die auf die große Karriere hoffen. Und es erweist sich schon als Hochgenuss, zu erleben, wie charakteristisch die drei besten Tänzerinnen des Balletts im Revier die drei Schwestern vergegenwärtigen: die überwältigende Kusha Alexi die abgeklärte, gegen sich und andere strenge Olga, Bridget Breiner die als Schmetterling zwischen den Männern flatternde liebesdurstige Mascha und Aidan Gibson die lebenshungrige, auf das große Glück hoffende Irina als jüngste. Faszinierend, wie diese drei Tänzerinnen in Momenten beseelten Innehaltens ihre Geschwisterliebe vergegenwärtigen. Hellsichtig hat Cathy Marston erkannt, welche Freiräume die Fülle des Unausgesprochenen bei Tschechow der emotionalen Ausdruckskraft des Tanzes eröffnen. Ihre Tanzsprache erweitert das Vokabular des klassischen Tanzes um geniale Einfälle spontaner Eingebung. Die Männer sind die Hoffnungsträger, die den Schwestern das Glück schwerelosen Schwebens versprechen. Ordep Rodriguez Chacon wird als Maschas biederer Ehemann Kulygin zum Choreografen, dem nichts mehr einfällt. Leidenschaftlich ergeben zeigt sich Mascha ihrem Liebhaber Werschinin, den Petar Djorcevski als Gast mit Bravour tanzt. Als Irinias Galan Tusenbach wird Joseph Bunn als Impresario zum Hoffnungsträger. Die neue Zeit verkörpert indes wie bei Tschechow die rücksichtslos dreinfahrende Ballett-Elevin Natascha. Wie ein Besen – und Marston bedient sich dieses Bildes tatsächlich – fährt Ayako Kikuchi als Frau Andrejs (Valentin Juteau) mit dem Furor wilden Ungestüms durch die karge Kulisse des Ballettsaals (Bühne: Dirk Becker).
  
Glücklich das Theater, das eine Compagnie von solchem Format besitzt. Das Glück dieses begeistert gefeierten Abends wäre perfekt gewesen, wenn die energiegeladene Musik aus der Konserve von Rachmaninow, der Schostakowitsch-Schülerin Galina Ustwolskaya und Arvo Pärt nicht völlig übersteuert wie für Schwerhörige das feine Tanzgespinst dröhnend überlagert hätte.

Recklinghäuser Zeitung

"Drei Schwestern" im Ballettsaal

Kaum ein Autor wusste die lähmende Langeweile des ewig gleichförmigen Alltags so eindringlich und spürbar zu beschreiben wie der Russe Anton Tschechow. Auch seine „Drei Schwestern“ aus dem Jahre 1901 erstarren in der Routine harter Plackerei und drohen dabei an unerfüllten Sehnsüchten zu ersticken. Die britische Choreografin Kathy Marston untersuchte die Motive Tschechows mit Hilfe des Tanzes neu und feierte mit ihrer ungewöhnlichen, aber tragfähigen Sicht eine begeistert aufgenommene Premiere im Musiktheater im Revier.

Marston verlegt den Überlebenskampf der drei unglücklichen Frauen von der provinziellen Einöde in einen spartanischen, düsteren Ballettsaal (Bühne Dirk Becker). Das Gefecht um Lebensträume findet an der Ballettstange statt. Wie Tschechows Frauen verkümmern auch die drei Tänzerinnen im täglichen Einerlei harten Trainings in Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit: Olga (stark Kusha Alexi), die strenge Ballettmeisterin im schwarzen Gewand, die innerlich längst gestorben scheint, Mascha (ätherisch: Bridget Breiner), die melancholische Ballerina in glückloser Ehe, und Irina (Aidan Gibson), die immer noch Licht am Ende des Tunnels sieht.

Drei furios aufgedrehte Gasttänzer (Fabio Boccalatte, Hugo Mercier, Samuel Maxted) entreißen die Frustrierten nur auf Zeit ihrem Trott. Die wahre Zukunft gehört der Elevin Natascha (Ayako Kikuchi), die die Spitzenschuhe auszieht und moderne Ausdrucksformen entwickelt.

Das exzellente Ballett im Revier tanzt ausdrucksstark und kraftvoll zur (Band-)Musik von Sergej Rachmaninoff, Galina Ustwolskaya und Arvo Pärt, spielt virtuos den neoklassischen Bewegungskanon durch, begeistert vor allem mit intensiven, anrührenden Pas de deux. Eines der Highlights: der zeitlupenhaft verzerrte Auftritt der Compagnie, denn nicht einmal der bringt Erfüllung.

Die lähmende Routine im Kosmos der Tschechow-Figuren, das graue Ambiente und die faden Gewänder übertragen sich am Ende allerdings auch auf den Abend, der trotz aller tänzerischen Raffinesse mit seinen nur 75 Minuten zähe Längen hat.


Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Kultur)

Drei Schwestern

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Ein poetischer Glücksfall

Das Unglück ungelebten Lebens

"Drei Schwestern" im Ballettsaal