2024-25

singing

opera

Frau Reich

Jungfer Anna Reich

Herr Reich

Sir John Falstaff

Frau Fluth

Dr. Cajus

Junker Spärlich

Mediator

Dramaturgie

Musikalische Leitung

Nachdirigat

Bühne

Fenton

Inszenierung

Choreinstudierung

Herr Fluth

Kostüme

Die lustigen Weiber...

Großes Haus

Die lustigen Weiber von Windsor

2009-10

Nicolai nannte sein Werk eine „komisch-fantastische Oper“. Von nicht wenigen Musikfreunden wird das Werk heute eher als „Operette“ betrachtet. Durchaus berechtigt, wenn man z.B. die Spielopernelemente der „gesprochenen Dialoge“ oder des „Erzählers“ streicht. Genau die Dinge, welche ein Comeback dieses prachtvollen Werkes bis dato auf heutige Bühnen meist verhindert haben; allzu muffig, altbacken und triefig kommt die Geschichte nämlich in ihrer klassischen Form einher. Das dachten sich sicherlich auch David Herman und sein Team, und man peppte das Werk nicht nur durch die Streichung aller Sprechtexte auf, sondern erfand auch eine Zusatzfigur, den Psychiater (Moderator), welcher die Übergänge nun neu gestaltet. Ein heikler Schachzug, aber mit einem routinierten Bravur-Schauspieler wie Uwe Schönbeck kann eigentlich nichts schief gehen. Darüberhinaus haben ohnehin praktisch alle Beteiligten „irgend etwas an der Klatsche“ – wie der Volksmund sagt, und wer kann da besser helfen als ein ausgewiesener Psychiater und seine vielfrequentierte Couch. Dazu noch etwas Mr-Bean-Witz, dezente Slapstick Comedy und talentierte Darsteller, die auf das Konzept eingehen und fertig ist ein herrlich unterhaltsamer 3-Sterne-Theaterabend in dem Klamauk, Klamotte, als auch seriöse Sangeskunst ein Fest feierten. Hinfahren! Zwar könnte ich mir die Musik noch ein bisserl peppiger vorstellen, was aber Johannes Klumpp aus dem Opernorchester „Neue Philharmonie Westphalen“ zaubert, hat schon seinen Reiz. Gerade in der Traumsequenz der Mondscheinszene, heuer als Ouvertüre vor den dritten Teil gesetzt, bezaubern die Streicher regelrecht durch Anmut und Schönheit. Der Chor ist, wie immer, von Christian Jeub, gesanglich, als auch darstellerisch, tadellos und immer einsatzaktiv. Bei einer Umfrage hat das Team vom OPERNFREUND, nicht zu unrecht, gerade den Chor des MiR auf Platz eins in NRW gesetzt. (...) Fazit: Was für eine phantasievolle und intelligente Regiearbeit! So kann man die alten Schinken wieder fürs Musiktheater aufpäppeln – so muß es gemacht werden, dann sind große Komponisten, wie Otto Nicolai, nicht mehr verloren. Das Publikum jedenfalls war ebenso begeistert, wie der Kritiker. Bravo! Mal wieder ein höchst unterhaltsamer Opern-Abend am Musiktheater im Revier. 

Der Opernfreund

(...) In Gelsenkirchen unternehmen Regisseur David Hermann und Ausstatter Christof Hetzer jetzt den Versuch, das Singspiel vom Verdikt der Muffigkeit und Biederkeit zu befreien. Der junge deutsch-französische Regisseur, der bei der Ruhrtriennale mit Albert Ostermaiers „Sing für mich, Tod“ in Erscheinung trat und mit seiner Inszenierung von Mozarts „Ascanio in Alba“ bei den Salzburger Festspielen debütierte, streicht kurzerhand alle Dialoge und erfindet einen Psychiater hinzu. Dieser resümiert die Befindlichkeit der Hauptfiguren, als handelte es sich um medizinische Befunde. Dazu passt die Bühne von Christof Hetzer, die dezent die BRD der 1960er Jahre zitiert und dank weißer Sofagarnituren und gesichtsloser Furnierschränke eine beinahe klinische Kälte verströmt. Die Regie horcht dem im Stück formulierten Moralkodex die Brust ab. Statt den „Weibern“ die Verteidigung ihrer Ehre zu glauben, findet sie in den vorgeblich braven Bürgersleuten manch unterdrückte Lust und manche Verstörung. Den graziösen und leichten Lustspielton kann sie nur dadurch beibehalten, dass sie die Figuren allmählich ins Sprung- und Wahnhafte kippen lässt. So wird das Finale im Märchenwald zu einem abgedrehten Stelldichein unter neonfarbenen Riesenpilzen. Es sieht aus, als seien die „Lustigen Weiber“ auf LSD. (...) Sängerisch ist die Produktion ansprechend besetzt. Petra Schmidt (Frau Fluth), Anna Agathonos (Frau Reich) und Piotr Prochera (Herr Fluth) treiben das Geschehen mit quirligem Temperament voran. Tenoralen Glanz steuert Lars-Oliver Rühl als Fenton bei („Horch, die Lerche singt“). Alfia Kamalova gibt der Jungfer Anna Reich lyrische und zarte Bögen, Michael Tews dem Falstaff eine markige Tiefe, in der auch Derbheit mitschwingt. Schauspieler Uwe Schönbeck ist als dicker Psychiater in Strickjacke und Cordhose köstlich lebensfern und unbeholfen. Unstet präsentiert sich die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Johannes Klumpp. Die Anfangstakte klingen regelrecht müde, und obgleich sich die Musiker allmählich zu mehr italienischer Leichtigkeit aufschwingen – ein spritzig kapriziöses Violinsolo lässt aufhorchen – gibt es immer wieder schmerzliche Einbrüche: uninspirierte Mezzoforte-Passagen zum Beispiel und das wenig rein intonierte Schwirren der Mücken und Wespen. So deutlich Felix Mendelssohns „Sommernachtstraum“ hier Pate gestanden hat, so plötzlich endet der Spuk unter den grellfarbigen Giftpilzen. Die Handlung reißt ab, der romantische Traum ist ausgeträumt. Ein echtes Ende aber bleibt uns verwehrt. 

Westfälischer Anzeiger

(...) David Hermann hat freilich einen Zugang zu ihr entdeckt, die der neu entdeckten Liebe des MiR zur deutschen Spieloper alle Ehre macht und mit hohem musikalischen Niveau schelmisches Vergnügen garantiert. Der 33-jährige deutsch-französische Regisseur nimmt den Gattungsbegriff wörtlich. Er spielt mit feiner ironischer Brechung und unaufdringlicher Komik mit Klischees. Zu allererst mit dem Klischee der braven Ehefrauen mit Triebstau, die nur die Sittsamkeit hemmt, ihre Lüste auszuleben, wenn ein eitler, liebestoller Gockel wie Falstaff ihren Weg kreuzt. Beim Prosecco an der Bar entdecken Frau Fluth und Frau Reich, dass Falstaff ihnen durch dasselbe verfängliche Briefchen seine Liebesdienste offeriert. Dem dreisten Kerl gilt es ebenso ein Schnippchen zu schlagen wie dem neurotischen Ehetyrannen Fluth. Die Dialoge hat Hermann komplett gestrichen und stattdessen in einer raffinierten Kommentarebene einen Psychotherapeuten als „Mediator“ eingebaut. Den gibt Uwe Schönbeck mit köstlich trocken, wenn er das Befinden der Damen im Verhältnis zu Falstaff als „positiv aufgewühlt, aber durch Plumpheit abgestoßen“ diagnostiziert. Die Fahndung des wild gewordenen Fluth nach dem Schürzenjäger gerät zur kriminalistischen Spurensuche, das Getändel von Jungfer Reich mit dem mittellosen Liebhaber Fenton zur Freibad-Eskapade mit Spannern und das Finale im Elfenwald zum flotten Dreier mit Falstaff im Comic-Dress als Oberon (Kostüme: Cristina Nyffeler) bei unverkitscht ironisiertem Mondlicht-Zauber (Bühne: Christof Hetzer) – bis Herr Reich den Gockel mit einem Taktstock peinigt. Michael Tews als Falstaff wächst mit Bass-Wohlklang über die eindimensionale Buffo-Statur der Vorlage hinaus. Und auch in den gehörnten Herren Fluth und Reich hat das MiR mit Piotr Prochera und Joachim G. Maass Komiker von Format. Mit belkantistischer Bravour glänzt Alfia Kamalovas Ännchen in der Arie „So schweb ich dir Geliebter zu“. Geschmeidig singen Petra Schmidt und Anna Agathonos die amourösen Damen Fluth und Reich. Kapellmeister Johannes Klumpp und die Neue Philharmonie Westfalen entdecken in Nicolais Musik eine Fülle melodiöser Finessen. Unaufgeregt, aber höchst lebendig, lebhaft durchpulst, spritzig moussierend und im Waldweben hochromantisch adeln sie Nicolais alles andere als biedermeierliche Musik. 

Recklinghäuser Zeitung

(...) Die Figuren, die am Musiktheater Otto Nicolais komisch-fantastische Oper bevölkern, sind regelrechte Stadtneurotiker. Hermann verlegt die Handlung ins Heute, in eine bürgerliche Gesellschaft, die mit der C-Klasse ebenso vertraut ist wie mit Schwedenmobiliar (Bühnenbild Christof Hetzer); er erteilt dem romantischen Schnickschnack eine Absage, nimmt das Fantastische zurück, stärkt das Komödiantische. Wenn sich Frau Fluth (Petra Schmidt) und Frau Reich (Anna Agathonos) zum Komplott gegen den Nachbarn Falstaff (Michael Tews) verabreden, der den beiden überdrehten Damen gleichlautende Liebesbriefe geschickt hat, dann geschieht das per Handy. Und der Plan wird, Rache ist süß und süffig und der Gedanke an den womöglich eifersüchtigen Gatten Fluth (Piotr Prochera) gar zu köstlich, bei einem Gläschen Sekt gefeiert. Auch bei der folgenden Einführung der anderen Figuren beweist der Regisseur viel Witz und Bildsinn fürs „Typische“. Herr Reich (Joachim G. Maass) darf seinen Daimler wienern; der „grün“ angehauchte Fenton (Lars-Oliver Rühl), wenig geschätzter (doch erfolgreicher) Verehrer von Reichs Töchterlein Anna (Alfia Kamalova), kommt mit dem Drahtesel… Leider entgleitet dem Regisseur gelegentlich der straffe Zügel, wird die kluge Pointe an den aufgesetzten Gag verschenkt. In einer der schönsten Szenen beäugen Fentons Konkurrenten Spärlich (E. Mark Murphy) und Cajus (Dong-Won Seo) argwöhnisch die beiden Turteltauben aus den Umkleidekabinen eines Freibades heraus. Das ist prächtiger Slapstick – bis Hermann die beiden dann ebenfalls in eine Kabine schickt: zum Blow-Job. Ein einziges Buh Auch die Idee, den Auslöser der Verwicklungen kaum in Erscheinung treten zu lassen, wird irgendwann überstrapaziert: bleibt Falstaff anfangs tatsächlich noch unsichtbar (etwa hinter dem Vorhang eines Baldachin-Bettes in Fluths Möbellager-Wohnung), so wird er später auf unkenntlich getrimmt, muss als leinenumwickelte Mumie umgehen. Trotz solcher Einschränkungen geht Hermanns Ansatz weitgehend auf: Von Patina befreit wirkt die betagte und biedere Oper (Libretto Salomon Hermann Ritter von Mosenthal), die leider musikalisch selten hält, was ihre fulminante Ouvertüre verspricht, erstaunlich frisch. Viel Beifall für das Ensemble, allen voran für Lars-Oliver Rühl und Alfia Kamalova, für Johannes Klumpp am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen und für das Regieteam, dem am Premierenabend nur ein einziges isoliertes Buh entgegendröhnte. 

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Regional)

Die lustigen Weiber von Windsor

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