Wiederaufnahme
- In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln | UA 1971
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Geschichte
Die biblische Passionsgeschichte als opulentes Rock-Opernspektakel – in den 70er Jahren traf das den Nerv der amerikanischen Hippie-Bewegung. „Fühlen statt Glauben“ lautete die Devise für eine neue, zeitgemäße Begegnung mit der christlichen Botschaft, die auch den britischen Komponisten Andrew Lloyd Webber und seinen Librettisten Tim Rice 1971 zu ihrem Musical-Welterfolg „Jesus Christ Superstar“ inspirierte. Aus der Sicht des Jesus-Verräters Judas Ischarioth verdichteten sie, eng an die neutestamentarische Schilderung angelehnt, die Ereignisse um die letzten Tage Christi zu einem intensiven, hoch emotionalen und dabei zutiefst menschlichen Musikdrama.
In der Tradition von Welterfolgen wie „Hair“ (1967/68) und „Tommy“ (1969) verbanden sie die klassische Dramaturgie und Instrumente der Oper mit einem modernen Rockinstrumentarium, um die Emotionen der handelnden Figuren neu fühlbar zu machen.„Lloyd Webbers Rock-Oper, für die am MiR eigens eine ganz hervorragende Band zusammengestellt wurde, stellt enorme stimmliche und darstellerische Anforderungen an Sängerinnen und Sänger. Und hier hat das Team um Michael Schulz einen wahren Glücksgriff getan. Star des Abends ist Henrik Wager in der Titelrolle. Wie der klassisch ausgebildete Brite vom Rockballaden-Ton in jene Kopfstimmen-Höhen vordringt, die in dieser Reinheit und Klarheit wohl einst nur Deep-Purple-Sänger Ian Gillan erreicht hat, das verdient uneingeschränkt das Prädikat Weltklasse.“
Westdeutsche Allgemeine Zeitung -
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Mitwirkende
- Musikalische Leitung Heribert Feckler
- Inszenierung Michael Schulz
- Szenische Einstudierung der Wiederaufnahme Rahel Thiel
- Bühne Kathrin-Susann Brose
- Kostüme nach Klaus Bruns Kathrin-Susann Brose
- Choreografie Paul Kribbe
- Chor Alexander Eberle
- Licht Thomas Ratzinger
- Ton Jörg Debbert
- Dramaturgie Anna Grundmeier
- Mit
- Jesus Henrik Wager / Nikolaj Brucker
- Judas Ruud van Overdijk
- Maria Magdalena Dionne Wudu / Peti van der Velde
- Pilatus Edward Lee / Lars-Oliver Rühl
- Kaiphas Joachim G. Maaß
- Petrus Tobias Glagau
- Simon Sebastian Schiller / Timothy Roller
- Herodes Anke Sieloff / Hedi Mohr
- Annas Ingo Schiller / Adrian Kroneberger
- Soulgirls Faye Anderson Ilenia Azzato Lisandra Bardél Sophie Blümel Maria Einfeldt Julia Heiser
- Priester Georg Hansen John Lim
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Pressestimmen
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Henrik Wager ("Hair") und Serkan Kaya ("We will rock you") stehen nach etwa einem Jahrzehnt wieder gemeinsam in Andrew Lloyd Webbers Meisterwerk auf der Bühne. Michael Schulz führt erneut Regie und entwickelt dabei seine Inszenierung aus dem Jahr 2006 am Essener Aalto-Theater weiter.
Das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier hat in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass es ein geschicktes Händchen für die Sparte Musical besitzt. Für die aktuelle Spielzeit ist dem Haus nun ein besonderer Coup gelungen: eine Neuauflage der JCS-Inszenierung von Michael Schulz, die zu ihrer Zeit in Essen mit Henrik Wager und Serkan Kaya in den Hauptrollen eine fast hundertprozentige Auslastung vorweisen konnte. Heribert Feckler war damals schon für die musikalische Leitung verantwortlich und Paul Kribbe für die Choreografie. Dieses Team ist nun wieder vereint und wird ergänzt um ein junges, frisches Ensemble sowie dem Opernchor und Statisterie des MiR.
Betritt man den Saal fühlt es sich gleich vertraut an. Wie damals sitzen die beiden Protagonisten bereits auf der Bühne, reden miteinander und lesen ein wenig in der Bibel. Henrik Wager als Jesus ganz in weiß gekleidet, Serkan Kaya als Judas mit schwarzer Hose und weißem Hemd. Nach der Ouvertüre zeigt sich dann der erste Unterschied, wenn Kaya "Heaven on Their Minds" anstimmt. Wesentlich ruhiger und nachdenklicher steht er da auf der Bühne, frasiert noch wenig und wird seiner Rolle als Erzähler gerecht.
Die nahtlosen Übergänge in die nächsten Szenen sind ebenfalls eine Weiterentwicklung. Lange bleibt keine Zeit für Applaus. Auch nach "What's the Buzz?" nicht, wenn Wager zum ersten Mal zeigen darf, was er kann. Er beltet, shoutet und macht sich die Partitur wie immer ganz zu eigenen. Gleich zu Beginn wird spürbar, mit welcher Energie die beiden Herren in ihre Rollen eintauchen und mit welcher Intensität sie zusammen spielen.
Etwas schwerer tut sich da Theresa Weber in der Rolle der Maria Magdalena. Die junge Dame, keine 25, kommt gerade von Theaterakademie August Everding. Ihre beiden Songs "Everything's Alright" und "I Don't Know How to Love Him" singt sie mit warmer, dunkler Stimme mit souligen Ansätzen, bleibt aber schauspielerisch noch etwas zurückhaltend – gerade so, als wollte sie den alten Hasen die Show überlassen. Hier wird es spannend sein, die Entwicklung im Laufe der Spielzeit zu beobachten.
Das Stück wird nach und nach immer dichter und düsterer. Die Freundschaft von Jesus und Judas wird auf harte Proben gestellt. Streiten sie zunächst noch um Maria Magdalena, geht es schließlich um Judas' Verrat. Hier zeigt Serkan Kaya, dass er nicht nur ein hervorragender Sänger ist, dem diese Rock-/Pop-Partitur ausgezeichnet steht, sondern auch ein wunderbarer Schauspieler. Seine innere Zerrissenheit und der tatsächliche Verrat lassen den Atem anhalten. Als es dann während "The Last Supper" schließlich zum körperlichen Streit zwischen Henrik Wager und Kaya kommt, fließen nicht nur auf der Bühne reichlich Tränen. So dicht, so bedrohlich, so bitter!
Auch Wager berührt und zieht das Publikum mit in diese Geschichte. So ist denn "Gethsemane" auch der Höhepunkt des Abends und Jesu Zweifel an dem Willen seines Vaters deutlich spürbar. Das Stück ohne Pause zu spielen, verdichtet die Geschehnisse zusätzlich und lässt das Publikum nicht durchatmen.
Die weiteren Rollen sind allesamt mit dem hauseigenen Ensemble gut besetzt. Publikumsliebling Joachim G. Maaß darf als Kaiphas seinen sonoren Bass erklingen lassen, der junge Tenor Sebastian Schiller als Simon zeigen, dass er gerne rockige Töne mag. Edward Lee als Pilatus, der mit Pelzmantel bekleidet eher "schmierig" sein soll, dürfte gerne noch etwas mehr aus sich heraus gehen, singt aber seinen "Pilate's Dream" mit angenehmer, gut geführter Stimme.
Ein weiterer Bekannter aus der Essener Inszenierung ist Rüdiger Frank als Herodes. Der 1,34 Meter große Schauspieler strotzt vor Charisma und legt die Rolle ausgesprochen unangenehm, fast schon abstoßend an. Die Verachtung für Jesus und das Unverständnis für dessen Handeln arbeitet er in seinem einzigen Solo gut heraus.
Einige Ausstattungsdetails von Kathrin-Susann Brose sind ein wenig anders als in der alten Inszenierung, doch im Großen und Ganzen bleibt man sich mit den großen Garagen-ähnlichen Toren und der ansonsten zurückhaltenden Ausstattung treu. In der Versehrten-Szene sind nun nicht mehr Cola und Pizza das Problem, sondern mobile Telefone. Ob die Holzhammer-Symbolik notwendig ist, darüber kann man sicher geteilter Meinung sein.
Lobend zu erwähnen sind auch der erstaunlich spielfreudige Chor und die stets passenden, modernen Choreografien von Paul Kribbe, die das Ensemble bestens umsetzt. Aus dem Orchestergraben kommt unter der Leitung von Heribert Feckler ebenfalls nur Bestes. Die elf Musiker rocken sich laut durch die Partitur, beherrschen aber im gleichen Maße die leisen Töne. Der gute Sound im Haus tut sein Übriges.
Insgesamt eine Show, die ganz auf die beiden Hauptdarsteller abzielt. Gut umgeben von den Kollegen und der Inszenierung haben Henrik Wager und Serkan Kaya Gelegenheit, ganz in die Rollen einzutauchen und ziehen alle Register ihres beachtlichen Könnens. Was bleibt, ist ein rundum gelungener Abend!
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Premiere vor Heiligabend, auch wenn die Geschichte die Passionszeit bedeutet. Das Premierenpublikum in Gelsenkirchen feiert „Jesus Christ Superstar“ stürmisch. Bevor das Premierenpublikum seiner Begeisterung in einem minutenlangen Jubelsturm Ausdruck verschafft, ein kurzer Moment der Besinnung, des Überdenkens verfestigter Bilder. So neugierig wie orientierungslos betreten da ein paar Touristen-Besucher einen kahlen Raum, der jetzt Kirche sein soll und doch kaum mehr ist als ein weitgehend atmosphäreloser Funktionsraum, und umrunden schweigend das riesige Kreuz mit dem Leidensmann. Das ist Christus, wie wir ihn gemeinhin sehen, in all seiner ikonografischen Verkürzung.
In den vorangegangenen rund 100 pausenlosen Minuten hingegen hat MiR-Intendant Michael Schulz in einer mitreißenden, bis ins Detail stimmigen Inszenierung Jesus gezeigt, wie dieser möglicherweise wirklich war, wie er unter anderen Umständen vielleicht hätte sein können und wie sein Umfeld ihn wahrnahm. Ohnehin haben Andrew Lloyd Webber und Songtexter Tim Rice in ihrer 1971 aus dem Geist der Hippie-Ära entstandenen Rock-Oper „Jesus Christ Superstar“ über die letzten sieben Tage im Leben Christi weniger auf das Göttliche als auf die menschlichen Aspekte abgestellt. Am Musiktheater, wo die englischsprachige Fassung (deutsche Übertitel) gezeigt wird, ist das Geschehen in eine nicht näher bestimmte Gegenwart verlegt. Hauptspielstätte ist eine Art Garagen-Hinterhof, der zunächst unscheinbar wirkt und doch so unendlich viele Möglichkeiten für eine Inszenierung eröffnet, die bewusst auf (durchaus mögliche) Anbiederung an das Musical-Genre verzichtet und konsequent die Qualitäten dieser ersten „echten“ Rock-Oper (Ouvertüre, große Chorszenen, ariose Balladen) ausspielt.
Den kleinen, intimen Zwiesprachen etwa zwischen Jesus und Judas über den „Kurs“, den die neue Bewegung einschlagen soll, oder dem verzweifelten Selbstgespräch Maria Magdalenas („I don’t know how to love him – Wie soll ich ihn nur lieben“) verhilft Schulz hier zu einer beispielhaften Intensität. Und die dynamischen Massenszenen, bei denen der wieder exzellente Opernchor und die Statisterie des Musiktheaters die Weite des Raumes nutzen können, sind optisch wie musikalisch überwältigend. Wenn die Gemeinde sich etwa, wie in blinder Heldenverehrung, zu einer Art skandierendem Jesus-Fan-Club zusammenschließt. Oder wenn der erklärte Rom-Gegner Simon von Jesus fordert, endlich auch politisch aktiver zu werden, und dabei die Kalaschnikow schwingt. Gelegentlich fährt die Bühne hoch und gibt den Blick frei auf eine in geradezu höllischem Rot erstrahlende „Unterwelt“. Doch die hier konferieren und Ränke schmieden – Christus-Gegner wie Kaiphas und Hannas – sind ganz reale Figuren: skrupellose „Anzugträger“, nüchtern planende Machtmenschen, die um den Verlust ihres politischen und wirtschaftlichen Einflusses, ihrer sozialen Stellung fürchten.
Lloyd Webbers Rock-Oper, für die am MiR eigens eine ganz hervorragende Band zusammengestellt wurde, stellt enorme stimmliche und darstellerische Anforderungen an Sängerinnen und Sänger. Und hier hat das Team um Michael Schulz nicht nur mit der Besetzung von Therese Weber (Maria Magdalena) und Serkan Kaya (Judas) einen wahren Glücksgriff getan. Star des Abends freilich ist Henrik Wager in der Titelrolle. Wie der klassisch ausgebildete Brite vom Rockballaden-Ton in jene Kopfstimmen-Höhen vordringt, die in dieser Reinheit und Klarheit wohl einst nur Deep-Purple-Sänger Ian Gillan erreicht hat, das verdient uneingeschränkt das Prädikat Weltklasse.
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Im Musiktheater im Revier hat Intendant Michael Schulz die Spielzeit 17/18 auf Werke konzentriert, die sich mit religiösen Fragestellungen befassen; das ist, in unserem Einwanderungsland, ein mutiger Kunstplan: so folgt, nach Hindemiths „Mathis der Maler“ nun mit „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber eine Rockoper, die, als ein Hit von Weltrang, das Haus wohl lange Zeit füllen wird. Dass Schulz ihre Premiere zu Weihnachten und nicht zur Karwochenzeit ansetzt, in der die Handlung spielt, mag wohl besetzungstechnische Gründe haben.
Schulz hat die Oper schon 2006 im Essener Aalto-Theater inszeniert, als er dort Oberspielleiter war - es ist ihm gelungen, die beiden Hauptdarsteller von damals – Henrik Wager als Jesus und Serkan Kaya als Judas Iskariot – nach Gelsenkirchen zu holen – und ihre Art, die beiden Rollen mimisch und stimmlich zu gestalten, ist atemberaubend und perfekt auf die Rockband eingestellt, der mit Elektro-Gitarre, Bass, Keyboard, Blech und Schlagzeug ein Sound so gelingt, als stamme er aus der Zeit der Hippy-Bewegung, in der diese Rock-Oper (1970) ja auch entstanden ist. Und Heribert Feckler, der musikalische Leiter, ist ein Rockprofi, der diesen Sound zu entfesseln und auf das Bühnengeschehen zu übertragen versteht.
Der rote Faden von Webbers Libretto ist die jahrelange Freundschaft von Jesus und Judas, die in den letzten Jerusalemer Tagen einen Riss erfährt: Judas entdeckt, dass Jesus mehr und mehr an Depressionen leidet, und er beschließt, ihn durch seinen Verrat zu neuer Tatkraft zu bewegen. Als dies nicht gelingt, weiß er keinen anderen Ausweg, als sich selbst zu erhängen. Das ist eine andere Version, als sie im Neuen Testament dargestellt wird; und so wird eigentlich Judas zur Hauptrolle: Jesus wird zwar gefangen und geschändet, aber er stirbt nicht - am Ende hängt nicht Jesus (als Henrik Wager), sondern ein anderer am Kreuz. Was will die Inszenierung damit sagen? Dass die Rockoper nur ein Spiel sei - und nicht mehr. Und was haben die Leute im Publikum gedacht?
Glänzend die Idee, keine Pausen zu geben: es gibt eine Ober- und eine Unterbühne, die Bühnenbilder wechseln in Sekunden, wie ein Schwenk im Film; und so verdichtet dauert die Rockoper zwei geballte Stunden. Der Applaus war geradezu überwältigend, das Auf- und Zuziehen der Vorhänge wollte nicht aufhören. Und er galt allen Beteiligten: dem Regisseur und seinen turbulent organisierten Massenauftritten von Sängern, Chor, Tänze-rinnen und, nicht zu vergessen, den besonders variablen Bühnenbildern von Kathrin-Susan Brose.
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Die Geschichte der richtig großen Musicals von Andrew Lloyd Webber / Tim Rice ist gar nicht so lang; sie umfasst gerade vier Musicals (1965 The Like of Us, Josef and the amazing technicoloured Dreamcoat 1968, Jesus Christ Superstar 1970 und Evita 1976). Danach arbeitete jeder für sich mit anderen Partnern höchst erfolgreich weiter. Aber die musikalische Qualität eines "Jesus Christ Superstar" erreichten beide nie wieder. Zwar waren von Rice z.B. "König der Löwen" sowie "Die Schöne und das Biest" oder von Webber u.v.a. "Cats", "Starlight Express" oder das "Phantom der Oper" erheblich erfolgreicher und brachten viel mehr Geld ein, aber die musikalische hoch anspruchsvolle Struktur der Christus-Geschichte bleibt ein Hit für die Ewigkeit und ist nach einem halben Jahrhundert immer noch ein wunderbar zu rezipierendes Kunstwerk, welches durchaus den hohen Ansprüchen einer Oper genügt.
In die Ouvertüre und das Nachspiel eingerahmt gibt es eigentlich nur richtige Schlagerohrwürmer, von denen fast alle bis heute tatsächlich noch im Ohr haften bleiben - auch wg. der schönen Melodien und der diversen Musikstile von denen jedes Stück einen anderen Charakter hat.
Und mal Hand aufs Herz, verehrte Musicalfreunde: Könnten Sie aus den "großen" oben erwähnten Musicals mehr als 1-2 Hits zitieren? Kaum, denn mehr ist auch nicht an Brauchbarem und richtig schönen und bleibenden Melodien vorhanden.
Hingegen zähle ich bei JCS mindestens 15 richtig gute, die man alle immer und immer wieder hören könnte. Darüber hinaus sind sie fast alle im Stile der großen Leitmotive Wagners regelrecht zu einem großen Gesamtkunstwerk verwoben - ein Glücksfall sondergleichen, quasi das Opus Summum der Musik der 60-er. Da gibt es Rock- und Stepnummern, Balladen, Folk und sogar Country - alles wird zitiert und ist eingebaut in fantastische Gitarrenriffs, Moog- und Hammondorgel-Klänge.
Fassen wir es kurz: Ein besseres Musical wurde ab den 1960ern nicht mehr geschrieben, und deshalb ist es wichtig gerade in der heutigen Zeit der Schmalspur-Kreativität des neuen Schlagerzeitalters dümmlichster Heimatfilm-Texte und den sprießenden Volksmusikstadeln gerade dieses Juwel stets neu zu beleben.
2015 zählte die grandiose Dortmunder Produktion (nicht zuletzt wegen "Superstar" Alexander Klaws) zu den erfolgreichsten Musicals auf subventionierten Opernbühnen Deutschlands; wir verliehen sogar den Opernfreund Stern erstmals an diese Gattung.
Doch - sagen wir es mit einem Wagner-Zitat: "Wunder muß ich Euch melden" - es geht sogar noch ein Quäntchen besser, denn was Michael Schulz und sein Team am Musiktheater im Revier gestern präsentierten war einsame Spitze. Besser geht es nicht - erlaube ich mir als Altmusical-Rocker, der noch die deutsche Erstaufführung vor 47 Jahre erlebt hat und seitdem so gut wie alle großen Produktionen begleitet hat, in aller Ehrfurcht zu sagen.
Hier stimmte wirklich alles im Konzept: Besser kann man die zeitlose Geschichte nicht inszenieren. Dichter, spannender, abwechslungsreicher und überzeugender (in pausenlosen 100 Minuten!) kann man ein Stück nicht auf die "Zauberbühne" eines Opernhauses bringen (Bühne Kathrin-Susann Brose) - die Bühnentechnik läuft heiß, wirbelt geradezu und stellt endlich einmal exemplarisch dar was machbar ist und warum wir von einem "Zauberkasten Bühne" sprechen.
In der geradezu leichtfüssig atemberaubenden Szenenfolge zog man alle machbaren Register der Perspektive - getaucht in wunderbare Lichteffekte. Thomas Ratzinger füllte den Begriff der "Lichtregie" mit intelligentem Inhalt und auch die Kostüme (Klaus Bruns / Kathrin Susan Brose) waren überragend gestylt - wobei es von den Playboy-Bunnies im originalen Römer-Outfit leider keine Fotos gibt! Und die Choreografie von Paul Kribbe war Weltklasse. Toll brachten sich auch die Choristen, teilweise mit solistischen Aufgaben, ins Spiel ein. Die Chorleitung lag bei Alexander Eberle in den bewährt sehr guten Händen. Die Soulgirls * waren phantastisch ;-) !
Sowohl die phänomenale Cast, als auch die Solisten, Chor und Extrachor gaben alles und da merkt man den Unterschied zu den Kommerzproduktionen: Hier gaben alle ihr letztes Herzblut. Der Begriff "Rampensau" kann nicht nur für die beiden Hauptpartien gelten; diese füllten die erfahrenen Musical-Top-Stars Henrik Wagner (Jesus) und Serkan Kaya (Judas) allerdings wirklich perfekt in Darstellung und Gesang. Ian Gillian und Murray Head waren 1970 nicht besser. Zwar erreicht die junge Entdeckung Theresa Weber (Maria) noch nicht das Niveau von Yvonne Elliman, aber ihr steht ein großer Weg offen.
Die räumliche Überschaubarkeit und Größe des MiR erlaubte auch eine musikalische Dichte und einen Sound (ML: Heribert Feckler), den man bei größeren Häusern selten erreicht - insoweit ist auch die Band über den sprichwörtlichen grünen Klee zu loben. Nach einiger Anlaufzeit bekam dann auch die Tonregie eine zielgerichtete Verstärkung der Microports in den Griff.
Was für eine tolle Produktion! Dafür gibt es natürlich unseren raren Ehrenpreis, den OPERNFREUND STERN, ich vergebe ihn aus ganzem Herzen und mit teilweise Tränen der Freude in den Augen... Daß man als pensionierter Rock-Gruftie solch traumhafte Realisation noch einmal erleben darf ist einfach wunderschön.
Bravissimo an eine Inszenierung, die praktisch alles mobilisierte, was so ein mittleres Theater überhaupt leisten und bieten kann. Dabei braucht man einen Vergleich mit die sündteuren (leider oft recht banalen) Kommerzproduktionen nicht zu scheuen - im Gegenteil: Das war das Opus Summum, das Maximum an künstlerischer Unterhaltung und Qualität, was ein Musiktheater im Revier leisten kann und eben diesen wunderschönen Namen mit Ehre füllt.
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Gott muss sich die Frage gefallen lassen, warum er Jesus nicht in unsere Zeit, nämlich die der Massenkommunikation, auf die Erde gesandt hat: Eine von vielen Fragen, die Generalintendant Michael Schulz bei seiner Inszenierung der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ im Musiktheater im Revier in den Vordergrund stellt.
Dabei lässt er das Publikum kaum zu Atem kommen: In einer Stunde, 45 Minuten rauscht er ohne Pause durch die letzten Tage Jesu und lässt diesen gleich selbst erleben, wo seine Lehren hinführen: Zur Konsumgesellschaft im Weihnachtswahn zum Beispiel, wenn volle Einkaufswagen mit von Handys hypnotisierten Menschen zusammenstoßen.
Dagegen fällt der Auftritt von Herodes – diabolisch präsentiert von Rüdiger Frank – fast blass aus, auch er überzeugt Jesus übrigens nicht, für ihn übers Wasser seines Swimming Pools zu gehen.
Jesus (Henrik Wager) und Judas (Serkan Kaya) werden als beste Freunde präsentiert, liegen schon vor Show-Beginn zusammen auf der Bühne und quatschen vertraut. Doch Judas versteht seinen Freund Jesus nicht mehr, will, dass er anders handelt: „Listen Jesus to the warning I give, please remember that I want us to live...“. Zuletzt verrät er ihn, glaubt daran, dass Jesus eigentlich auch das will, genauso wie seinen Selbstmord.
Und so nimmt die bekannte Geschichte ihren Lauf, auch wenn Schulz nicht "den" Jesus ans Kreuz bringt, sondern „einen“. Der Jesus wird mit der Verehrung des Kreuzes nach seinem Tod konfrontiert – und muss sich eben diese vielen Fragen von Judas gefallen lassen, nach dem, was anders hätte laufen können, wenn er in einer anderen Zeit, einem anderen Land auf die Erde gekommen wäre. Er will es ja nur wissen, will nur mal fragen. Inzwischen sind beide in himmlischen Glitzer-Jacken zu sehen.
Gesanglich überzeugen Wager und Kaya einmal mehr, bleiben perfekt in ihren Rollen und folgen der Idee der Inszenierung überzeugend. Auch Theresa Weber als Maria Magdalena, die sich fragt, wie sie ihn nur lieben kann und später gern von vorn anfangen würde, glänzt mit einer starken schauspielerischen Leistung und einer bemerkenswerten jungen Stimme mit Wiedererkennungswert. Den hat sowieso Joachim G. Maaß, der als stimmgewaltiger Kaiphas agiert. Stark auch Edward Lee als Pilatus, der doch seine Hände in Unschuld waschen wollte und letztlich mit Blut besudelt in die Geschichte eingeht.
Andrew Lloydd Webber und Tim Rice wollten mit „Jesus Christ Superstar“ eine Oper schreiben, in der es um Menschen – wie Judas, Simon oder Maria Magdalena - und deren Reaktionen auf die Person Jesus geht. Schulz nimmt diese Idee auf und führt sie weiter, er zeigt auch die Reaktionen der Welt von heute auf diesen Jesus. Und diese Welt ist schnell, konsumbesessen und lässt einen kaum zu Atem kommen – so wie der Musical-Klassiker im Musiktheater im Revier.
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Heaven on their minds Superstar I don´ t know how to love him (Christahl, Theresa) Gethsemane
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Aufführungsrechte: THE REALLY USEFUL GROUPT LTD, LONDON, vertreten durch die MUSIK UND BÜHNE Verlagsgesellschaft, Wiesbaden, www.reallyuseful.com, www.musikundbuehne.de