2023-24

singing

operette

Pianist

Josepha Vogelhuber, Wirtin

Der Kaiser Franz Joseph I.

Dramaturgie

Inszenierung

Leopold Brandmeyer, Zahlkellner

Prof. Dr. Hinzelmann, Urlauber

Kathi und Zenzi

Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt

Wilhelm Giesecke, Berliner Fabrikant

Kostüme

Der Piccolo

Der Oberförster

Choreografie

Ottilie, seine Tochter

Musikalische Leitung

Der Reiseführer

Chor

Sigismund Sülzheimer, Sohn des Konkurrenten

Bühne

Klärchen, seine Tochter

Im weissen Rössl

Großes Haus

2011-12

Zündende Original-Revuefassung am MiR

Am Wolfgangsee ist die Welt noch in Ordnung? Von wegen. Da jagt ein jeder einem trügerischen Glück hinterher, da wird gemosert und intrigiert, und da heulen sogar gestandene Mannsbilder wie der Zahlkellner Leopold, der sich von seiner umworbenen Wirtin Beppi wegen eines feschen Advokaten versetzt sieht.
In der erst vor kurzem wiederentdeckten zündenden Original-Revuefassung von 1930, deren Broadway-Nähe den Nazis zuwider war, entfacht Ralph Benatzkys Operette „Im weißen Rössl“ einen persiflierenden, kurzatmigen Witz, von dem das bieder-betuliche Arrangement der restaurativen ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte nicht mal etwas ahnen ließ. Das Musiktheater im Revier (MiR) hat sich mit staunenswerter Hingabe und stupender Liebe zum Detail in dieses rundum vergnügliche Operettenabenteuer gestürzt. Und das entzückte Premierenpublikum ließ sich prompt zu Klatschmärschen hinreißen.
Das vorgeblich wonnige Salzkammergut erweist sich als Projektionsfläche für ein unentwegt beschworenes großes und kleines Glück. Und diese Projektion greift Etienne Plus in seiner Bühne aus grob gepixelten Pop-Versatzstücken und einer schäbigen Rössl-Kaschemme, deren Rückseite sich als herrlich altmodische Badeanstalt erweist, treffend auf. Uta Meenens Kostüme wirken um einen köstlichen Kick überdreht. Mit ironischen Brechungen, einem Schuss Esprit und gehörigem Tempo nimmt auch Regisseur Peter Hailer die Operettenseligkeit aufs Korn. An dieses Tempo in den sich überschlagenden stilistischen Volten zwischen grellen Jazz-Einlagen und seligem Melodienzauber knüpft Kapellmeister Bernhard Stengel mit der hellwachen Neuen Philharmonie Westfalen an.
Sogar Kaiser Franz Joseph trifft auf – in Gestalt des gestandenen Baritons Tomas Möwes. Ganz schön frech, wie er beim erstbesten Mäderl den Morgenrock öffnet und reichlich verblödet, wie er das verbürgte „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“ bei jeder Gelegenheit absondert.
Auf Typisierungen, die nicht gleich ins Klischee abrutschen, versteht sich Regisseur Hailer. Ob in den Herzensergießungen von Thomas Weber-Schallauers gestandenem Zahlkellner Leopold, der als Schauspieler erstaunlich gut bei Stimme ist, Christa Platzers hübsch spröder Wirtin Josepha, Uwe Schönbecks prolligem Trikotagen-Fabrikantem Giesecke mit Berliner Schnauze oder Rüdiger Franks flink wieselndem Piccolo. Und erst die beiden jungen Paare: Anke Sieloffs beherzte Ottilie und Michael Dahmens leicht schmalziger Advokat Siedler, deren Duett „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ zu den Höhepunkten des dreistündigen Abends zählt, und Dorin Rahardjas entzückend erfrischendes Klärchen und E. Mark Murphys umwerfend komischer, glatzköpfiger Sigismund, die zum Schlager „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“ eine kesse Sohle hinlegen. Pep gewinnt der närrische Abend obendrein durch Kati Farkas’ Choreografie für das schwungvolle Ballett und den spielfreudigen Chor, der sich als heimlicher Star entpuppt.


Recklinghäuser Zeitung

Altes Schlachtross auf Trab

Die Gartenstühle aus Plastik, die Glühbirnen nackt, und auch die Hotelfassade strahlt den morbiden
Charme längst vergangener Pracht aus. Beim ersten Hahnenschrei aber erwacht das
„Weiße Rössl“ aus seinem Dornröschenschlaf und das alte Schlachtross der Operette
kommt gewaltig auf Trab. Die unverwüstliche Klamotte von Ralph Benatzky feierte jetzt
am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR) als pralles, höchst vergnügliches
Volkstheater eine begeistert aufgenommene Premiere. In Gelsenkirchen steht das
Glück tatsächlich vor der Tür. Regisseur Peter Hailer, zuletzt mit seiner Sicht auf „Anatevka“
erfolgreich am Musiktheater zu Gast, bringt die lebenslustige, rekonstruierte Originalfassung
der Operette „Im weißen Rössl“ aus dem Jahr 1930 leichtfüßig auf die Bühne.
Die Nazis hatten die fidele Revue rund um großmäulige Großstädter und abgedrehte
Alpenländler wegen ihrer jüdischen Urheber, aber auch wegen angeblicher Frivolität als
„entartet“ verbannt. In den 50ern und 60ern kam das „Rössl“ wieder auf die Bühnen, allerdings
in einer weichgespülten Version. Lange prägte vor allem die schnulzige Verfilmung
mit Peter Alexander (1960) die Sicht aufs „Weiße Rössl“. Nun, rein optisch ragt Gelsenkirchens
Zahlkellner Leopold, Thomas Weber-Schallauer, durchaus an den österreichischen
Star heran. Mehr aber auch nicht. Diese vitale Inszenierung setzt nicht auf
Schmelz und Schmalz, sondern auf Spielfreude, Witz und bestechende Bilderflut. Das
MiR-Ensemble brilliert als herrlich bizarres Panoptikum kurioser Gestalten, die dem
Geld und dem Glück hinterher jagen. Und die sich in einem turbulenten Chaos aus
amourösen Irrungen und Wirrungen wiederfinden. Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber
schmeißt zusammen mit Zahlkellner Leopold den Laden am Wolfgangsee. Während
sich Leopold unsterblich in seine Chefin verliebt hat, ist die längst dem alljährlichen
Sommergast Doktor Siedler verfallen. Christa Platzer gibt die resolute Wirtin mit zickigem
Charme, und Thomas Weber-Schallauer mimt als mäßig singender Schauspieler einen
herrlichen Jammerlappen(„Zuschaun kann i net“).
Als brummeliger Berliner Trikotagen-Fabrikant Wilhelm Gieseke ist Urkomödiant Uwe Schönbeck einsame
Spitze und rasch Publikumsliebling. Anke Sieloff singt beschwingt Töchterchen Ottilie, mit klangschönen
Stimmen überzeugen auch E. Mark Murphy als elegant-elastischer Sigismund („Was kann
der Sigismund dafür, dass er so schön ist“) und Joachim G. Maaß als herrlich verschrobener
Professor Hinzelmann. Lispel-Klärchen Dorin Rahardja vervollständigt den
Eindruck, dass man im Salzkammergut gut lustig sein kann. Verglichen mit der Schnulzenversion
ist der Sound des Rössl-Originals flotter, frecher, facettenreicher, mal jazzig, mal verswingt, die Bläser
schießen herrlich quer. Die Musik bleibt dennoch walzerselig, und auch das Schrammellied
fehlt nicht. Die Neue Philharmonie Westfalen gibt unter der Leitung von Bernhard
Stengel dem Affen immer wieder Zucker, bestens einstudiert der Opernchor.
Die Bühne hat Etienne Pluss detailverliebt vollgepackt mit Versatzstücken aus Papp-
Alpen, alter Reisereklame und einem leicht abgehalfterten Hotel auf einer Drehbühne.
Blinkende Kirmeslämpchen, offene Kulissenschieberei verstärken den Eindruck der
Volkstheaterbühne. Die teils schrägen Kostüme (Uta Meenen) changieren zwischen
Dirndl, Lederhosen und Revueglitzer, wenn das Ballett (Choreografie Kati Farkas)
spritzig schuhplattelt. Dieses „Rössl“ schmeckt so herzhaft wie ein echtes Paprikahendl
und süß wie die berühmten Salzburger Nockerln. Mehr denn je gilt hier: „Tritt ein und vergiss deine Sorgen!“


Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Kultur)

"Frecher, greller, jazziger" 

Nach einem halben Jahrhundert mit weichgespültem Heimatfilm-Sound sollte es "Im weißen Rößl" musikalisch wieder so zugehen, wie es Komponist Ralph Benatzky 1930 vorgesehen hatte: mit Jazz-Combo im Orchestergraben und getanzten Foxtrott-, Slowfox- und Shimmyeinlagen.
Als 2009 die Originalpartitur des Rößl in Zagreb wieder auftauchte, brachte sie die Staatsoperette Dresden unverzüglich auf die Bühne. Vor genau einem Jahr 
folgte das Theater Hagen als zweites Haus. Gelsenkirchen belegt mit einer Inszenierung von Peter Hailer nun den vierten Platz. Wer nun einen Gegenentwurf 
zur Heimatfilmidylle mit Peter Alexander erwartete, wurde allerdings enttäuscht. Was Hailer seinem Publikum bietet, ist eine denkbar konventionelle Umsetzung, 
die an dem selben Manko krankt wie der Film von 1960. "Reich an gekünsteltem Aufwand, etwas arm an natürlicher Heiterkeit", urteilte seinerzeit das Lexikon des internationalen 
Films und trifft damit auch das Problem der Gelsenkirchener Bühnenproduktion. Selbst ein Darsteller wie Thomas Weber-Schallauer, der zurecht als Garant fürs Komische gilt, 
kann als Zahlkellner Leopold sein Potenzial nicht so recht ausspielen. Dafür ist Christa Platzer als Wirtin Josepha auch deutlich zu sauertöpfisch. 
Die Regie lässt Pointen gleich reihenweise verpuffen. Auch Mark Murphy spielt als "Schöner Sigismund" frisch auf. Tenor Michael Dahmen 
und Mezzo Anke Sieloff sind gesanglich ein schönes Paar. Ansonsten lebt dieses Rößl von den gelungenen Tanzeinlagen, die Kati Farkas 
choreographiert hat - und die satirischen Biss in den Abend bringen. Denn leider hat auch Bernhard Stengel im Orchestergraben eher die Tendenz zum Gefälligen. So bleibt das Gelsenkirchener Rößl im Großen und Ganzen so bieder wie seit 50 Jahren.

Westfälische Nachrichten

Broadway und Berge

Wie kann man die Identifikation mit dem eigenen Werk besser dokumentieren? Ralph Benatzky verfügte, in Sankt Wolfgang bestattet zu werden – dort spielt „Im weißen Rössl“. 
Zwar ist das Stück Benatzkys bekanntestes (und kommerziell erfolgreichstes) Werk, doch Erik Charell, der Leiter des Großen Schauspielhauses in Berlin, in dem die Operette 1930 zur Uraufführung kam, ließ einige Schlager einfügen, die nicht von Benatzky stammen, darunter „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ von Robert Stolz oder „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ von Robert Gilbert.
Das MiR nahm sich jetzt der erst 2009 rekonstruierten Urfassung des „Rössl“ an. Das jüdisch stämmige Duo Charell/Benatzky war ab 1933 in Deutschland unerwünscht, die Anklänge an den Jazz den nationalsozialistischen Machthabern ein Dorn im Auge. Das Werk wurde geglättet. Auch der Film mit Peter Alexander aus dem Jahr 1960 basiert auf der „verschlimmbesserten“ Fassung.
Peter Hailer, dem MiR-erprobten Regisseur („La Cage aux Folles“, „My fair Lady“, „Anatevka“), gelingt unter dem Deckmantel der Unterhaltung eine historische Annäherung an den ursprünglichen Revue-Charakter des „Rössl“.
Dabei spielt Etienne Pluss‘ Bühnenbild nicht nur mit dem gängigen Heile-Welt-Kitsch, sondern versieht Hotel und Bergwelt mit revueartigen Glühlampen; das erinnert ebenso wie die absurden Kuhkostüme, mit denen Kostümbildnerin Uta Meenen das Ballett ausstaffiert, an Broadway und Jazz-Age.
Obgleich der Fokus der Regiearbeit auf der Unterhaltung des Publikums gelegt und das „Rössl“ keinesfalls gegen den Strich inszeniert wird, räumt Hailer genug Raum ein, um einen kritischen Blick auf die Oberflächlichkeit des Tourismus zu werfen. 
Komplett kann sich das MiR-„Rössl“ der Rezeptionsgeschichte nicht entziehen. Thomas Weber-Schallauer gibt den Zahlkellner Leopold Brandmeyer mit der nötigen Verve. Dort, wo die Rolle Klamauk benötigt, ist er allerdings sehr nah an Peter Alexander. Mit Christa Platzer als Josepha Vogelhuber hat Weber-Schallauer die richtige Partnerin an die Seite gestellt bekommen. Man sieht beiden gerne dabei zu, wie sie erst aneinander zu verzweifeln scheinen, um sich dann doch noch zu finden.
Heimlicher Star ist wohl Uwe Schönbeck als Wilhelm Giesecke, der als Gegenpart zum allgegenwärtigen Salzkammergut berlinern darf, vor allem beim „falschen“ Schuhplattlern seine Sternstunde hat. Tomas Möwes als von den übertriebenen Ehrerbietungen seiner Untertanen genervter Kaiser Franz Joseph zeigt den Monarchen hinter der gravitätischen Fassade erfrischend menschlich.
Die jungen Pärchen Michael Dahmen (Dr. Siedler)/Anke Sieloff (Ottilie) und E. Mark Murphy (Sigismund Sülzheimer)/Dorin Rahardja (Klärchen) machen den Liebesreigen komplett, wobei Sieloff seltsam zurückgenommen agiert.
Unter der Leitung von Bernhard Stengel gelingt der Neue Philharmonie Westfalen ein beschwingtes „Rössl“. Das überträgt sich aufs Publikum, das zum Teil mit den Beinen im Takt wippt und die Melodien mitsummt.
Eine tragende Rolle kommt einmal mehr dem Chor unter der Leitung von Christian Jeub zu. Ein weiteres Highlight: Unter der Choreographie von Kati Farkas darf das Ballett waschecht schuhplattlern.

Stadtspiegel Gelsenkirchen

Im weissen Rössl

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